Wohnraumvernichtung durch Bayer und Bezirksamt Mitte

Wieder Abriss von Wohnhäusern an der Fennbrücke

Abriss 2016

2010 schickte Bayer, damals noch Bayer Schering Pharma AG, den Mieter*innen der Häuser Fenn­straße 35-37 / Am Nord­hafen 1 (Straße wurde aufge­hoben und in tempo­räre Grün­fläche integriert) die Kündi­gungen, Gewerbe­miet­ver­träge wurden nicht verlängert. Einige wehrten sich mit Unter­stützung des Ber­liner Mieter­vereins. Bei der dama­ligen öffent­lichen Aus­le­gung des Bebau­ungs­­plans (B-Plans) 1-47 wurde gefordert, dass Bayer "bezahl­baren Ersatz­wohn­raum" bauen muss. Dem folgte das Bezirks­amt damals nicht. Aber es gab wenigstens einen Sozial­plan.

Abgerissen wurde 2016. Eine schicke Firmen­zentrale am Humboldt­hafen (MoabitOnline) sollte neu gebaut werden.  Bis heute ist dort eine Grün­fläche, nichts wurde gebaut! Bayer hatte die Pläne geändert und das schon Mitte 2011, aber den­noch den Abriss durch­gezogen (Links zu Artikeln im Mieter­Magazin s. MoabitOnline).

Jetzt werden die Häuser an der Tegeler Straße 2-5 ent­mietet und stehen auf Abriss. Nachbar*innen berichten, dass alle die Kündi­gung bekommen haben. Der Aufstel­lungs­beschluss für einen B-Plan 1-61 wurde schon am 16.6.2009 (!) gefasst mit dem Ziel eines Gewerbe­gebietes an dieser Stelle. Aber bis jetzt ist noch nicht an diesem Plan weiter­gear­beitet worden (Liste B-Pläne Mitte, unter dem Link bei Sach­daten geht es zum Inhalt, hier u.a. Datum Auf­stel­lungs­beschluss). Die Abtei­lung Stadt­ent­wick­lung ver­tröstet: sie würden noch auf die Pläne des Pro­jekt­ent­wicklers von Bayer warten. Vor­raus­sicht­lich solle die früh­zeitige Bürger­betei­ligung aber noch in 2021 statt­finden. In dieser zukünftigen Planung ist aber an der Ecke insgesamt Gewerbegebiet vorgesehen. Also sind auch die Häuser Tegeler Straße 6 und 7 sowie Fennstraße 33 und 34 bedroht.

Also Ent­mietung und Abriss jetzt schon in voraus­eilendem Gehorsam? Hier wird günstiger Wohn­raum mit Hilfe des Bezirks­amts vernichtet!

Ramona Reiser, Stadträtin für Jugend, Familie und Bürger­dienste, erklärte heute bei der Bürger*innen­sprech­stunde, "Negativ­bescheide" seien bereits aus­ge­stellt. Es brauche nicht ein­mal eine Abriss­genehmigung, da die Wohn­häuser in einem sog. "beschränk­ten Arbeits­gebiet" laut Baunutzungs­plan liegen, in dem Wohnen nicht erlaubt ist. Das hatte man vor mehr als 100 Jahren, als die Wohn­häuser gebaut wurden, eben gerade oft auch in der Nähe der Arbeits­plätze, anders gehand­habt. Auch im süd­lichen Bereich der Lehr­ter Straße standen die Wohn­häuser Lehrter Straße 6-22 in einem beschränkten Arbeits­gebiet, waren also illegal. Dort aller­dings wurde bereits in den 1980er Jahren der Versuch unternommen sie durch einen B-Plan zu legali­sieren, erneut ab 2013 als Misch­gebiet, aber auch dieser B-Plan 1-91B ist wegen "Abwägungs­fehlern" immer noch nicht fest­gesetzt.

Wohn­häuser in beschränk­ten Arbeits­gebieten gibt es in Mitte an vielen verschie­denen Stellen. Hier ist das Bezirks­amt dringend aufge­fordert zu handeln und diese Wohn­häuser durch B-Pläne zu schützen. Es geht nicht an, dass erst interes­sierte Investoren die Bau­leit­planung in die Hand nehmen. Sie ist schließlich das wichtigste Instrument für die Lenkung der städte­bau­lichen Ent­wick­lung einer Gemeinde.

In die morgige Bezirks­ver­ord­neten­versamm­lung (BVV) wird ein Dringlichkeits-Antrag (Drs. 3312/V) einge­bracht werden, die ca. 150 Wohnungen durch einen neuen B-Plan zu schützen, alle planungs­recht­lichen Anstreng­ungen zu unternehmen, dass die Abrisse nicht durch­geführt und die Kündi­gungen zurück­genom­men werden. Ob das noch helfen kann, werden wir sehen.

Fotos: Jürgen Schwenzel und Susanne Torka

Nachträge:

Kurzer Bericht im Tagesspiegel.

Weitere Anfragen und Anträge in der BVV vom 16.9.21: Antrag zum Vorgang der Abrisse durch Bayer (Drs. 3385/V), große Anfrage zu Möglichkeiten der Unterstützung (Drs. 3322/V), Anfrage zu weiteren Gebieten mit ebensolchem Planungsrecht (Drs. 3328/V).

Pressemitteilung über den Verkauf (Sale-and-Leaseback) der Sellerstraße 31 an Quest Investment Partners.

Kämpferische Kundgebung vor den Häusern der Tegeler Straße mit etwa 70 Personen am 14. September 2021. Mehrere Reden wurden gehalten, allgemeiner Tenor: "Abriss geht gar nicht". Auch die Coordination gegen Bayergefahren hatte ein Grußwort geschickt, das verlesen wurde. Mit dabei waren Bündnis Zwangsräumungen verhindern, IG Habersaathstraße - Neue Heimat Mitte, Wem gehört Moabit, Mietenwahnsinn Nord, Berliner Bündnis Mietenwahnsinn, Mieter*innengewerkschaft Berlin, Deutsche Wohnen & Co enteignen und viele mehr.

Offener Brief der Interessengemeinschaft der Bewohner*innen des Mettmannkiezes vom 16. September 2021. Kontakt: Mettmann-Quartier_bleibt@gmx.de oder Mettmann-Kiez@gmx.de

Bericht in der Berliner Morgenpost (hinter Bezahlschranke), die B.Z. hat einen Tag später berichtet. Auch in der U-Bahn im Berliner Fenster sollen Informationen gekommen sein.

Eine Anfrage im Abgeordnetenhaus zum Abriss der Häuser, Plänen von Bayer usw. wurde schon Ende September beantwortet, leider stimmt die Antwort wenig hoffnungsfroh.

Das MieterMagazin hat im Oktober berichtet, sowie Big Business Crime.

Stichwort Bayer der CBG (Coordination gegen Bayergefahren) 4/2021: Kahlschlag in Berlin. Bayer entmietet

Wegen der ungenauen und ausweichenden Antworten jetzt eine weitere Anfrage ans Bezirksamt Mitte, Kleine Anfrage 1180/V (beantwortet 15.11.21). Zusätzlich wird der Ausschussvorsitzende noch bei der letzten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am 27. Oktober unter dem TOP Aktuelle Stunde nachfragen.

Schlussbericht des Bezirksamts Mitte zur Dringlichkeitsanfrage, siehe Kommentar Nr. 16.

Dieser Antrag (Drs. 3341/V) wurde in der BVV vom 16.12.21 beschlossen, aber das passiert trotzdem nicht.

Wortprotokoll aus der BVV vom 20.1. zur Dringlichkeitsanfrage der Linken (Drs. 138/VI).

Ca. 35 Personen haben am 24.1. gegen den Abriss von 2 leeren Gebäuden, ein Seitenflügel und der Garagentrakt, Tegeler Straße 2-3 protestiert. Die Bagger rollten noch nicht an. Anscheinend hat die Naturschutzbehörde wegen Verdacht auf ein mögliches Winterquartier für Fledermäuse den "Bauherrn" aufgefordert, ein Gutachten zu erstellen.

Verschiedene Zeitungsartikel sind in den Kommentaren erwähnt:  Weddingweiser, Tagesspiegel (Bezahlschranke), Berliner Zeitung mit Kommentar, TAZ, Junge Welt, Berliner Woche.

Beim BVV-Ausschuss für Stadtemtwicklung und Facility Management am 26.1.2022 wurde der Abriss der Häuser in der Tegeler Straße ausführlich behandelt und Bayer sollte seine Pläne vorstellen. Haben sie vielleicht mit dieser Investition zu tun? Beim Ausschuss kam allerdings nichts weiter als "wird benötigt für Baustelleneinrichtungen".  Hier das Wortprotokoll. Beim Ausschuss am 23.2. zeigte sich, dass die Gespräche mit Mieter*innen am 18.2. ein Umdenken erreicht haben. Baustadtrat Gothe erklärte, dass er mit Bayer zwei Runde Tische mit den Mieter*innen vereinbaren möchte. Diese hatten am 15.2. Drohbriefe erhalten, wenn sie nicht bis zum 28.2. (Kündigungsfrist) ausziehen.

Hier die Pressemitteilung der Interessengemeinschaft der Bewohner*innen.

Tagesspiegel Leute Mitte zum Bayer Abriss und Widerstand.

In der BVV vom 17.2.2022 wurde der Antrag angenommen, mit dem das Bezirksamt ersucht wird, die Abrissgenehmigungen zu überprüfen und ein externes Rechtsgutachten einzuholen, das klären soll, ob Wohnhäuser in einem beschränkten Arbeitsgebiet dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz unterliegen und bis dahin den Abriss auszusetzen (Drs. 191/VI).

Berliner Abendblatt zum Besuch der SPD bei den Mieter*innen der Häuser.

Bericht vom Treffen am 26.2. (Kommentar Nr. 40, da muss man jetzt auf die 1. Seite der Kommentare zurückschalten) in der Jungen Welt.

Offener Brief der Interessengemeinschaft der Bewohner*innen vom 3.3.2022. Tagesspiegel Leute Mitte zum Runden Tisch.

Antwort auf eine Anfrage im Abgeordnetenhaus zur rechtlichen Situation der Häuser im "beschränkten Arbeitsgebiet", Antwort bestätigt das Rechtsamt Mitte, obwohl viele Fachleute eine andere Meinung vertreten.

Neben einer Einwohner*innen-Anfrage (Drs. 0271/VI) zum Umgang mit dem Offenen Brief und einem Antrag der Grünen (Drs. 0263/VI) zum Runden Tisch, der Forderungen des Briefes aufnimmt, bringt die Fraktion der Linken einen Antrag (Drs. 0266/VI)  zur Aufstellung einer Umstrukturierungssatzung in die BVV am 17.3. ein.

Artikel in der Jungen Welt zur BVV-Sitzung an 17.3.2022.

Bericht zum Stadtentwicklungsausschuss am 23.3.2022 im Kommentar Nr. 52.

Bericht vom sogenannten Runden Tisch zur Tegeler Straße am 26.3. (Pressemitteilung der Linksfraktion) im Kommentar Nr. 54.

Artikel im MieterEcho Nr. 423, April 2022: Mettmannkiez bleibt! Der Redaktionsschluss war leider schon vor dem zweiten Runden Tisch am 24.3., bei dem Bayer bekannt gegeben hat, dass alle Häuser auf Abriss stehen und nicht nur die drei, in denen die Mieter*innen bereits Kündigungen erhalten haben.

Stichwort Bayer 2/2022: Häuserkampf. Mettmannkiez vs. Bayer

Rede zu den Häusern an der Tegeler Straße zum Kiezspaziergang gegen Abriss von der Habersaathstraße über Mettmannkiez bis zur Rathenower Straße am 1.4..

Zum Stadtentwicklungsausschuss vom 27.4. ein Kurzbericht von Frank Bertermann (Kommentar Nr. 62). Das wird spannend, wie die BVV im Mai nun mit dem Antrag zur Umstrukturierungssatzung umgehen wird.

Im Stadtentwicklungsausschuss vom 29.6. wurden die Pläne von Bayer nur im nichtöffentlichen Teil vorgestellt (Tagesordnung). Dazu die Pressemitteilung der Interessengemeinschaft der Mieter*innen.

... und Artikel in der Jungen Welt.

Februar 2023: Der leere Seitenflügel der Tegeler Straße 3, der direkt an das noch teilweise bewohnte Vorderhaus angebaut ist, wurde eingerüstet. Die Hausverwaltung informierte über Fassadenuntersuchungen. Aber gegenüber der Kita hieß es: Abrissvorbereitung. Hier kann die Pressemitteilung der Initiative mit einem Schreiben an Bezirksstadtrat Gothe heruntergeladen werden. Auf Gefahren beim Abriss wird hingewiesen, da beim Abriss der Remisen im vergangenen Jahr die Gasleitung beschädigt wurde. Die Morgenpost hat berichtet. Und auch die Berliner Woche.

Der leere Seitenflügel wird tatsächlich seit Ende Februar per Hand abgerissen (s. Kommentar Nr. 72).

Bayer weiht neue Produktionsanlage ein (rbb-Abenschau vom 23.11.23).

Bei der Ausschuss-Sitzung Stadtentwicklung am 22. November 2023 hat Bayer seine Pläne vorgestellt (Präsentation). Die Infos zur Tegeler-/Fennstraße finden sich auf den S. 8-10. Danach kommen die Infos zu den Planungen zur Blockentwicklung S-Bahnhof Wedding (Block 205/212). Hier soll es angeblich möglich sein, auch Umsetzwohnungen für die vertriebenen Mieter*innen aus der Tegeler-/Fennstraße zur Verfügung zu stellen. Nur das beide Planungen natürlich nicht zeitlich aufeinander abgestimmt sind. Vergleiche auch Kommentar Nr. 73.

Es gibt ein neues Rechtsgutachten zur Beurteilung der Häuser als schützenswerter Wohnraum usw. und ein entsprechender Antrag der Fraktion Die Linke (Drs. 1549/VI) für die BVV vom 20.6.2024. Hier ist das Rechtsgutachten als Anlage verlinkt, direkt aufrufen geht nicht. Bitte Kommentar Nr. 75 (und 77) beachten.

Zum Rechtsgutachten: Berliner Zeitung und MieterMagazin.

Der Seitenflügel der Tegeler Straße 2 ist jetzt leer - es gab eine Einigung mit dem letzten Bewohner.

Anfang 2025 haben die Mieter*innen der Tegeler Straße 6 und 7 völlig überraschend Verwertungskündigungen erhalten. Auch diese Häuser will Bayer jetzt abreißen. Auch das Bezirksamt ist vollkommen überrascht. Zu einer Mieterversammlung mit Baustadtrat Gothe wird am Fr. 17.1.2025 um 17 Uhr vor den Häusern eingeladen.

Zum geplanten Abriss: Weddingweiser und B.Z. Auch die TAZ und Berliner Zeitung haben berichtet.

Der seit kurzem leere Seitenflügel Tegeler Straße 2 ist jetzt auch eingerüstet, vermutlich ist hier auch Abriss per Handabtrag vorgesehen.

Im Stadtentwicklungsausschuss Ende Januar protestierten die Mieter*innen aus der Tegeler Straße 6 und 7. Forderung ganz klar: erst Ersatzwohnraum, dann Abriss.

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"Mut und Widerstand" - Projektjahr zum 80. Todestag von Dietrich Bonhoeffer

Das vergangene Jahr 2024 wurde anlässlich des 100. Geburtstags von Selma Meerbaum-Eisinger mit vielen ganz unterschiedlichen Veranstaltungen zum Meerbaum-Jahr.  2025 schaut die evangelische Kirchengemeinde Tiergarten mit der Veranstaltungsreihe "Mut und Widerstand", was es heute heißen kann, gegenüber Rechtsextremismus und Antisemitismus Zivilcourage zu zeigen. Vorbild ist der Theologe Dietrich

By Susanne Torka