Was sollen die ganzen Fahrradständer in der Lehrter Straße?

Diese Frage wurde nun schon einige Male beim Betroffenenrat Lehrter Straße gestellt. Werden denn überhaupt so viele Fahrradständer gebraucht? An manchen dieser Stellen wohnt ja niemand, der sein Fahrrad dort abstellen würde. Eine ganze Reihe von Nachbarn sind sehr empört darüber, dass deshalb Parkplätze weggefallen sind.
Auf den ersten Blick klingt das nicht abwegig. Aber wenn man sich genauer mit dem Thema beschäftigt, stellt sich heraus, dass die Fahrradständer einem äußerst sinnvollen Zweck dienen. Sie sollen - auf sehr kostengünstige Weise - den Platz vor und hinter den neuen Fußgängerüberwegen (im Fachjargon Querungshilfen) frei halten von parkenden Autos. An diesen beiden Fotos, die aus dem Blickwinkel von Kindern aufgenommen wurden, ist leicht zu erkennen, wie die Übersicht für kleinere Fußgänger von parkenden Autos eingeschränkt wird.

Der Bau der neuen Querungshilfen in der Lehrter Straße ist das Ergebnis von jahrelangen Aktionen für Verkehrsberuhigung mit Unterschriftenlisten von Anwohnern, die schließlich 2010 zu einem Verkehrsgutachten führten. Dieses machte u. a. Vorschläge für Querungshilfen und Aufpflasterungen der Kreuzungsbereiche an der Seydlitz- und an der Kruppstraße. Die Umsetzung zog sich mit vielen Verhandlungen zwischen Bezirksamt, BVG und Verkehrslenkung ein wenig in die Länge. Wann genau die Entscheidung zum Bau dieser fünf Querungshilfen für Fußgänger mit sogenannten Moabiter Kissen zur Entschleunigung der Autofahrer gefallen ist, wissen wir nicht. Der Betroffenenrat hatte immer wieder nachgefragt. Im Mai konnte er auf seiner Webseite den Plan veröffentlichen, wo diese Überwege hinkommen und wie sie aussehen sollen.
In diesem Jahr ist die Baumaßnahme endlich umgesetzt worden. Die Bauarbeiten sind kurz vor der Fertigstellung. Eigentlich sollten sie bereits am 4. Oktober fertig sein. Sie wurden teilweise auch schon sehr kritisch kommentiert, denn die Moabiter Kissen sind nur 7 cm hoch, entsprechend der Vorschriften für Tempo 30 Zonen, und daher längst nicht so wirkungsvoll wie diejenigen in den Querstraßen der Turmstraße (flächenhafte Verkehrsberuhigung in Moabit). Und sie sind relativ schmal, weil der Bus natürlich weiter durch die Lehrter Straße fahren soll, also musste ein Kompromiss mit der BVG gefunden werden. Der Bund der Steuerzahler trat auch schon auf den Plan und bezeichnete das ganze als Verschwendung, weil wirkungslos. Die Kissen wirken tatsächlich weniger als erhofft. Aber es gibt doch einige vorsichtige Autofahrer, die abbremsen. Leider ist das nicht da Gros der Fahrer.

Und nun zurück zu den Fahrradständern. Vor und hinter jedem Überweg sind sechs Fahrradständer und zwei Poller entweder bereits eingebaut oder geplant. Vermutlich werden diese im nördlichen Teil der Lehrter Straße auch gut genutzt werden, denn dort ist zu beobachten, dass die bereits existierenden Fahrradständer nicht ausreichen. Im Mittelbereich wird das voraussichtlich weniger der Fall sein, solange die neuen Häuser noch nicht stehen. Vielleicht sind sechs Fahrradständer wirklich ein bisschen viel und vier hätten es auch getan.
Ärgerlich ist, dass der seit vielen Jahren am Döberitzer Grünzug geplante Zebrastreifen (FGÜ) in diesem Jahr immer noch nicht gebaut werden konnte. Warum das so ist, hat der Betroffenenrat Lehrter Straße in einem Gespräch mit dem Straßen- und Grünflächenamt Ende November herausgefunden: Der Bezirk Mitte hatte beim Senat für die Beleuchtung und die Markierung 15.000 € angemeldet. Es gibt jetzt aber neue Vorschriften für die Umgebungshelligkeit eines Zebrastreifens, damit die Autofahrer nicht nur diejenigen Personen gut sehen, die direkt beleuchtet unter den Lampen stehen, sondern auch solche, die schnell auf den Zebrastreifen zu gehen. Für den sogenannten Adaptationsbereich ist eine bestimmte Luxzahl vorgegeben, die nicht unterschritten werden darf. Und um diese zu erreichen, müssen 16 Gasleuchten ausgetauscht werden. Dafür gibt es nun ein Angebot über 60.000€ von Vattenfall. Aber so viel Geld war nicht mehr im "Zebrastreifen-Topf" der Senatsverwaltung für 2013. Ein Trost: dieser Zebrastreifen steht für 2014 als erster auf der Liste.
Nachtrag:
Hier zur Erläuterung der vorgeschriebenen Sichtbeziehungen bei Fußgängerquerungsstellen eine erläuternde Grafik aus der Anlage 4 der aktuellen (Mai 2013) "Ausführungsvorschriften zu § 7 des Berliner Straßengesetzes über Geh- und Radwege":


"Ein rechtzeitiges Anhalten von Kraftfahrzeugen ist möglich, wenn die in der Tabelle angegebenen Haltesichtweiten Sh zur Verfügung stehen. Die Haltesicht ist eine für die Sicherheit einer Straßenverkehrsanlage notwendige Mindesanforderung."
Nachtrag:
Fahrradunfall in der Lehrter Straße.
Bund der Steuerzahler hält die Kissen für wirkungslos und Verschwendung (Tagesspiegel), während die Anwohner jetzt die Ergänzung durch Zebrastreifen fordern, jedenfalls bei den Kissen am südlichen Ende der Straße. Das Tiefbauamt hält dagegen (Tagesspiegel).
Projektblatt zur Verkehrsberuhigung in der Lehrter Straße beim Stadtumbau West.