Was Moabit erspart blieb

Stadtautobahn in Friedenau

Vor genau 30 Jahren, im Sommer 1978 gab es große Aufregung in Moabit: Es wurde bekannt, dass der Bau der Autobahn "Westtangente" einen Teil des Stadtteils zerstören würde. Zwar wusste man schon seit fünf Jahren, dass diese Autobahn gebaut werden würde, nicht aber, wieviel Wohnhäuser und Grünflächen dafür zerstört werden müssten. Dies wurde erst im Frühjahr '78 bekannt. Die Planung der Westtangente war Ausdruck eines Autowahns, an dem der sozialdemokratische Senat schon seit Jahren litt. Der motorisierte Individualverkehr war anscheinend Ausdruck eines merkwürdigen Freiheitsbegriffs. Auf alten Fotos sieht man, was der realisierte Teil der Autobahnplanung zerstört hat. Zwischen Steglitz und Schöneberg, in Tempelhof, Wilmersdorf und Charlottenburg wurden ganze Straßenzüge plattgemacht, und das bei einem permanenten Wohnraummangel im damaligen West-Berlin. Der Senat plante damals allerdings auch schon weiter, so sollte z.B. auf dem Kreuzberger Oranienplatz ein Autobahnkreuz entstehen, das einen Abzweig in Richtung Mitte vorsah.

Geplante Strecke in Moabit

Noch heute wartet - von Steglitz aus kommend - am Schöneberger Kreuz der Abzweig Richtung Norden auf seinen Weiterbau. Quer durch den Schöneberger Kiez und über das Gleisdreieck / Potsdamer Platz  sollte die Autobahn nach Moabit und weiter in den Wedding geführt werden. Erst regte sich in Schöneberg Widerstand gegen diesen Plan. Als dann aber der konkrete Verlauf auch im Norden bekannt wurde, begannen auch hier die Proteste. Die Invalidenstraße und der östliche Teil Alt-Moabits sollten zur Autobahn ausgebaut werden, hier wären z.B. die Häuser zur Kirchstraße hin abgerissen worden. Am S-Bahnhof Lehrter Straße war das "Kreuz Moabit" vorgesehen. Die Westtangente sollte sich dann von dort durch das Wohnviertel in der Lehrter Straße fressen, dort wurden bei Neuvermietungen schon nur noch Verträge geschlossen, die bis 1981 befristet waren.
"Die Moabiter freuen sich über die Autobahn", behauptete Bausenator Harry Ristock, doch stattdessen wuchs der Protest, so wie auch im Wedding. Dort war geplant, auf der Seestraße ein weiteres Autobahnkreuz zu bauen, von dem dann ein Ableger quer durch die Rehberge und ein anderer nach Moabit führen sollte.
Im Frühsommer 1978 klagten die ersten Moabiter sowie die Bürgerinitiative vor dem Oberverwaltungsgericht gegen diese Pläne. In allen betroffenen Stadtteilen wurden Büros zur Koordinierung des Widerstands eingerichtet, der Kampf gegen die Westtangente wurde auf vielfältige Art geführt, mit Straßenaktionen, vor Gericht, mit Protesten bei Politikern, mit Podiumsdiskussionen. Die Einbindung der Betroffenen, also der Menschen in Moabit und den anderen Stadtteilen hatte zur Folge, dass in der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, dass die Autobahn eben nicht nur Freunde hatte. Mit der Gründung der neuen alternativen Partei gab es dann auch einen wichtigen politischen Verbündeten, der bald weitere Möglichkeiten des Widerstands eröffnete.
Und der Protest war erfolgreich: Als 1981 der neue CDU-Senat ans Ruder kam, wurden die Planungen reduziert. Zwar konnte die Autobahn durch den Tegeler Forst nicht verhindert werden, aber die Strecken zwischen Wedding und Schöneberg wurden von Richard von Weizsäcker gestrichen. Und damit blieb den Moabitern eine Autobahn durch den Kiez erspart.

Read more

"Mut und Widerstand" - Projektjahr zum 80. Todestag von Dietrich Bonhoeffer

Das vergangene Jahr 2024 wurde anlässlich des 100. Geburtstags von Selma Meerbaum-Eisinger mit vielen ganz unterschiedlichen Veranstaltungen zum Meerbaum-Jahr.  2025 schaut die evangelische Kirchengemeinde Tiergarten mit der Veranstaltungsreihe "Mut und Widerstand", was es heute heißen kann, gegenüber Rechtsextremismus und Antisemitismus Zivilcourage zu zeigen. Vorbild ist der Theologe Dietrich

By Susanne Torka