Was bedeutet das Zweckentfremdungsverbot?

Das neue Berliner Gesetz soll Wohnraum wieder besser schützen

Seit Mai ist das Berliner „Gesetz über das Verbot von Zweckentfremdung von Wohnraum“ in Kraft. Es soll dazu beitragen, den Berliner Wohnungsmarkt zu entlasten. Damit werden die unkontrollierte Umwandlung von Wohnraum zu Gewerberäumen, der langfristige Leerstand von Wohnraum sowie der ungenehmigte Abriss oder das „Unbenutzbarmachen von Wohnungen“ verboten. Den größten Effekt soll das neue Gesetz beim Verbot von Ferienwohnungen haben – nach unterschiedlichen Schätzungen werden derzeit ca. 10.000 bis 25.000 Wohnungen in der Stadt als Touristenquartier zweckentfremdet.

Wenn die Eigentümer den Betrieb von Ferienwohnungen bis zum 1. September 2014 (Anmerkung MoabitOnline: 31. Juli 2014) bei den Bezirksämtern offiziell melden, wird der weitere Betrieb noch bis zum 1. Mai 2016 gestattet. Wird er jedoch nicht angemeldet, müssen die Betreiber mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro pro Wohnung rechnen. Ferienwohnungen in ursprünglichen Gewerberäumen sind von dieser Regelung aber ausgenommen.

Unter bestimmten Umständen kann die Zweckentfremdung genehmigt werden: wenn nämlich „vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen“ überwiegen. Das trifft zum Beispiel für Gästewohnungen von Wohnungsunternehmen, Gewerkschaften oder Universitäten zu. Auch soziale Einrichtungen oder die Unterbringung von schutzwürdigen Personen (Obdachlose, Flüchtlinge etc.) werden genehmigt.

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Als schutzwürdige private Interessen definiert das Gesetz aber auch die „Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz“.

Auch wenn der Wohnraum als solcher als „nicht erhaltungswürdig“ eingestuft wird, kann eine Genehmigung erteilt werden – das wurde früher zum Beispiel bei sehr lärmbelasteten, dunklen oder extrem schlecht geschnittenen Wohnungen so gehandhabt. Ebenfalls ist die Genehmigung möglich, wenn der Wohnraumverlust durch Schaffung von Ersatzwohnraum ausgeglichen wird.

Eine Genehmigung kann allerdings mit der Auflage von Ausgleichszahlungen verbunden werden: bis zu 5 Euro pro Quadratmeter und Monat müssen dann abgeführt werden, das Geld soll zur Schaffung von neuem Wohnraum verwendet werden. Wenn Wohnungen mit Genehmigung abgerissen werden, kann eine einmalige Ausgleichszahlung bis zu 2.000 Euro pro Quadratmeter verlangt werden. Für die Genehmigung wird zudem eine Gebühr fällig.

Wer ein Gewerbe in seiner Wohnung betreibt oder diese beruflich benutzt, ist vom Gesetz nicht betroffen, falls die Wohnung noch überwiegend zu Wohnzwecken gebraucht wird. Künstler können also durchaus in ihrer Wohnung ein Atelier unterhalten, Berufstätige ein Arbeitszimmer. Auch wer bis zum 1. Mai 2014 eine ehemalige Wohnung gewerblich als Büro oder Praxis gemietet hat, ist vom Gesetz ausdrücklich ausgenommen. Selbst wenn der Gewerbemietvertrag ausläuft, kann man ihn neu abschließen: Bestandsschutz hat nach dem Gesetz nicht nur der Mietvertrag, sondern auch der Betrieb, der gemietet hat. Wenn allerdings die umgenutzte Wohnung nach Auszug des Gewerbemieters erneut gewerblich vermietet werden soll, benötigt der Vermieter dazu eine Genehmigung.

Als Zweckentfremdung gilt auch, wenn eine Wohnung länger als sechs Monate leer steht, sofern der Vermieter nicht nachweisen kann, dass er sich längere Zeit mit „geeigneter Bemühung“ um die Wiedervermietung gekümmert hat. Bis zu zwölf Monaten darf die Wohnung leer stehen, wenn sie „zügig umgebaut, instandgesetzt oder modernisiert wird“. Diese Frist wird allerdings verlängert, wenn der Vermieter noch zivilrechtlich die Duldung von Modernisierungs- oder Instandsetzungsarbeiten einklagt: dann gilt sie bis zum Urteil oder „bis zum Abschluss der sich hieran anschließenden zügigen Baumaßnahmen“.

Text: Christof Schaffelder, Foto:

Christoph Eckelt

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Kommentar:
Jetzt doch keine Task-Force? Bezirksamt ist sich nicht grün!

Bereits seit Anfang des Jahres ist sie im Gespräch: eine berlinweite „Task-Force“ zur Umsetzung des Zweckentfremdungsverbotes. Die Idee: Statt zwei bis drei Mitarbeiter in jedem einzelnen Berliner Bezirk soll eine zentrale Abteilung mit 34 Mitarbeitern bei einem Bezirk das neue Gesetz in der gesamten Stadt umsetzen. Stephan von Dassel, Stadtrat der Grünen in Mitte, hatte für diese Task-Force geworben, auch in einem Interview mit dieser Zeitung. Angesichts der Fülle zu bewältigender Aufgaben scheint der Vorschlag vernünftig: vor allem die Durchsetzung des Verbotes von Ferienwohnungen dürfte nämlich nicht einfach werden, liegen doch in Berlin keinerlei Erfahrungen in diesem Bereich vor. Man kann also nicht einfach die alten Ausführungsvorschriften aus den 90er Jahren hervorkramen, als ein Zweckentfremdungsverbot schon einmal bestand. Stattdessen muss man sie Schritt für Schritt neu erarbeiten - und wohl auch Prozess für Prozess, denn juristischer Widerstand ist schon angekündigt. Das gelingt besser mit einer geeinten größeren Truppe als in zwölf unabhängig voneinander agierenden winzigen Teams.

Von Dassel war mit seinem Vorschlag schon weit gekommen - die meisten Bezirke signalisierten Zustimmung. Doch nun fliegen ihm plötzlich Knüppel zwischen die Beine, sie kommen ausgerechnet aus dem Bezirksamt Mitte. Das findet jetzt die Idee gar nicht gut und spielt nicht mehr mit - zu großes Risiko, das Renommee könnte leiden, falls etwas schiefgeht. Die Große Koalition im Bezirk grätscht dabei allerdings auch die Große Koalition des Senats, die das Gesetz ja entwickelt hat. Denn durch die Mitte-Blockade gibt es nun erneut einen Zeitverzug bei der Umsetzung. Darüber werden sich jene Eigentümer freuen, die schnell eine Genehmigung für eine Zweckentfremdung beantragen, obwohl sie eigentlich keinerlei Chance auf diese hätten. Eine Ablehnung muss nämlich innerhalb von maximal 14 Wochen vom zuständigen Bezirksamt begründet werden – ansonsten gilt die Genehmigung als erteilt.*

Text: Christof Schaffelder

Zuerst erschienen in der “ecke turmstraße“, Nr. 4 - juni 2014.

* Richtigstellung: Noch keine Genehmigungsfiktion bei Zweckentfremdung
Anders als in einem Kommentar in der letzten Ausgabe dieser Zeitung berichtet, eröffnet das Gesetz gegen Zweckentfremdung von Wohnraum derzeit nicht die Möglichkeit, die Genehmigung neuer Ferienwohnungen zu beantragen und dabei darauf zu hoffen, dass der Bezirk noch nicht dazu in der Lage ist, in der vorgeschriebenen Frist von maximal 14 Wochen einen ablehnenden Bescheid zu begründen. Die Regelung, dass daraufhin die Genehmigung al erteil zu gelten habe (Genehmigungsfiktion), tritt nmlich erst zum. 1. Mai 2016 in Kraft.  (cs)
Zuerst erschienen in der “ecke turmstraße“, Nr. 5 - juli/august 2014

Der Bezirk Mitte hat eine E-mail-Adresse eingerichtet, über die Verstöße gegen das Gesetz gegen Zweckentfremdung von Wohnraum gemeldet werden können:
zweckentfremdung@ba-mitte.berlin.de

Nachtrag:
Nach Erscheinen machte diese Pressemitteilung des Bezirksamts Mitte klar, es wird keine zentrale Task-Force geben.

Hinweise zu Ferienwohnungen in Moabit finden sich bei einem Artikel zu einer schon älteren Umfrage zu Ferienwohnungen in der Nachbarschaft und auf der Crowd Map Moabit, die weiter gefüllt werden kann.

Tagesspiegel vom 16. Juni 2014. Ausführlicher Artikel über die Situation in Mitte im Neuen Deutschland.

Ausführungsvorschriften für das Zweckentfremdungsverbot vom 23.6.2014

Bis zum 31.7.2014 mussten die Ferienwohnungen angemeldet werden und in den letzten Tagen haben das auch noch viele gemacht (Tagesspiegel)

Zum Stichtag wurden in Mitte ca. 1.600 Ferienwohnungen angemeldet und haben bis zum 1. Mai 2016 Bestandsschutz, es gab 82 Hinweise aus der Bevölkerung (Pressemitteilung). Beim Stadtteilplenum Moabit West am 26. August wird Sozialstadtrat Stephan von Dassel (Grüne) über die Umsetzung des Gesetzes berichten.

Auch 2015 noch nicht genug Personal (Tagesspiegel).

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