Vorbehalte gegen Halle für Flüchtlinge in Moabit

Berlins Senat will 250 Asylsuchende in einer provisorischen Unterkunft auf einem Sportplatz unterbringen

Bei Bürgerinitiativen und Anwohnern stoßen die Senatspläne für die provisorischen Unterkunft auf Kritik, wie eine Bürgerversammlung zeigte. Selbst die im Bezirk Mitte regierende SPD sieht das Projekt skeptisch.

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Die Halle auf dem Gelände des Poststadions soll in zwei bis drei Wochen bezugsfertig sein. Sie wird über eigene sanitäre Anlagen, Küchen, durch Stellwände abgegrenzte Wohneinheiten und Funktionsräume verfügen. Betreiber wird die Berliner Stadtmission sein, die über Erfahrungen bei der Flüchtlingsbetreuung verfügt. Angesichts des Zuzugs von Flüchtlingen sucht die Sozialverwaltung des Senats mit Hochdruck nach Möglichkeiten der Unterbringung. Da geeignete Gebäude kaum noch zur Verfügung stehen, wird nunmehr auf landeseigene Grundstücke zurückgegriffen. 250 Menschen sollen in der Traglufthalle leben.

Bei den Anwohnern und den Vereinen, die das Areal nutzen, stößt das nicht auf Begeisterung. Dies wurde auch bei einer Bürgerinformationsveranstaltung deutlich, zu der die für Schule, Soziales und Sport zuständige Bezirksstadträtin von Mitte, Sabine Smentek (SPD) am Dienstagabend in das Casino des Poststadions eingeladen hatte. Viele der rund 60 Teilnehmer äußerten Vorbehalte gegen den Standort der Traglufthalle in einer öffentlichen Park- und Sportanlage, die von vielen Vereinen, darunter der Fußball-Viertligist BAK, der ASV und Union 06, genutzt wird.

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Der Integrationsbeauftragte des Bezirks, Stephan Winkelhöfer, erklärte: »Der Bezirk befindet sich in einer absoluten Notsituation.« Die von einigen Diskussionsteilnehmern vorgeschlagene Nutzung nicht mehr benötigter Schul- und Bürogebäude sei kurzfristig nicht zu realisieren. Man stehe vor der Aufgabe, neu ankommende Flüchtlinge in den Wintermonaten vor Obdachlosigkeit zu bewahren. Ohnehin habe der Bezirk die Standortentscheidung nicht beeinflussen können, da es sich um ein landeseigenes Grundstück handele, dessen Nutzung von den zuständigen Senatsbehörden verfügt worden sei.

Auch Franz Allert, Leiter des Landesamts für Gesundheit und Soziales, wies auf die dramatische Lage hin. Alleine in Mitte seien bereits 1600 Flüchtlinge in provisorischen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht worden. »Für den Standort spricht die Nähe zu den für Asylanträge und Lebensunterhalt zuständigen Stellen und die gute Infrastruktur für den Schulbesuch von Flüchtlingskindern«, sagte Allert. Nicht versprechen konnte er, dass die Nutzung tatsächlich wie geplant am 31. Mai 2015 beendet wird. Schließlich könne man angesichts der vielen Krisenherde kaum vorhersehen, wie viele Schutzsuchende kommen. Allert kritisierte in diesem Zusammenhang, dass die Nutzung bundeseigener Liegenschaften für Notunterkünfte von der zuständigen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben blockiert werde.

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Grundsätzliche Kritik äußerte eine Vertreterin einer örtlichen Initiative, die Flüchtlinge unterstützt. Sie warf Senat und Bezirksamt vor, keinerlei Anstrengungen zu unternehmen, Flüchtlinge dauerhaft menschenwürdig unterzubringen. Denn davon könne weder bei Containersiedlungen noch bei Traglufthallen die Rede sein.

Stadträtin Smentek betonte, dass sie das Projekt kritisch sehe. Es gehe nunmehr aber um eine möglichst reibungslose Umsetzung. Sie bot den Sportvereinen an, konkrete Pläne zu entwickeln, wie die Einschränkungen des Trainings- und Spielbetriebs durch den Wegfall der Anlage an der Kruppstraße weitgehend kompensiert werden könne.

Text: Rainer Balcerowiak, Fotos: Susanne Torka, Lageplan: Bezirksamt

Zuerst erschienen in: neues deutschland, Berlin/Brandenburg, 30. Oktober 2014
Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/950725.vorbehalte-gegen-halle-fuer-fluechtlinge-in-moabit.html

Nachträge zur Traglufthalle und Flüchtlingshilfe:
Artikel in der Berliner Woche.

BVV-Drucksache zur Unterbringung von Flüchtlingen (1716/IV), in der Anlage findet sich der Brief des LaGeSo mit der Anordnung nach § 17 ASOG. Hier heißt es allerdings, dass der Platz im Poststadion "ab sofort und zunächst bis zum 30.4.2015" in Anspruch genommen würde. Auf der Infoveranstaltung war dann aber vom 31.5. die Rede.

Bereits im September: Lageso wegen Überlastung geschlossen (Tagesspiegel).

An der Unterbringung der Flüchtlinge wird gut verdient: Korruptionsvorwürfe gegen den Leiter des Lageso (Tagesspiegel).

Ausführlicher Bericht über den geplanten Betrieb in der Berliner Woche. Bericht im Tagesspiegel über die Situation in der Traglufthalle.

Weihnachtsessen für Flüchtlinge im Neumann's, Alt-Moabit (Berliner Woche).

In der B.Z. klagt der Leiter der Einrichtung, dass das Lageso nicht reagiert auf Bitten nach Aufstockung der Stellen für die Betreuung der Flüchtlinge und die Hilfe von Freiwilligen unverzichtbar ist, z.B. für die Essensausgabe.

Freundschaftsspiel bei freiem Eintritt soll auch Flüchtlinge integrieren (Berliner Zeitung, Webseite 1. FC Union vorher und nachher). Und hier ein Bericht über das Spiel (mit etwas Geschichte des SC Union 06) im neuen deutschland.

Aufforderung des LaGeSo (B.Z.) und Pressemitteilung Bezirksamt "Keine Flüchtlinge in Sporthallen".

Dieser Film wurde von der Berliner Stadtmission am 13.1.15 hochgeladen, zeigt aber die Situation in der ersten Woche der Eröffnung.

https://www.youtube.com/watch?v=UnkVvQnsFlw

Die Leichtathleten des ASV bieten Sport für Flüchtlinge aus den Traglufthallen. Beim Kindertraining jeden Mittwoch dürfen bis zu zehn Flüchtlingskinder mitmachen. Ein zweiter Hallentermin wird gesucht. Genauso viele Frauen aus der Unterkunft können einmal die Woche am Montag bei der Zumba-Stunde teilnehmen. Auch der ASV Moabit Basketball bietet Trainingsstunden an, es liegen Flyer aus, Donnerstags 17 - 18:15 Uhr ab 16 Jahre, Alt-Moabit 10 (Flyer). Vielleicht auch noch andere Vereine.

Mutlu spendet Tischtennisplatte für Flüchtlinge (Berliner Woche). Die Abteilung für Speed Badminton der Reinickendorfer Füchse, deren Sporthalle mit Flüchtlingen belegt ist, engagiert sich für die Flüchtlinge in den Traglufthallen und veranstaltet Montags Bingo, wie hier im Januar.

Infos für alle, die in den Traglufthallen helfen wollen:
Bitte meldet Euch vorher an bei der Berliner Stadtmission: fluechtlingshilfe[at]berliner-stadtmission[.]de.
Für die Koordination verschiedener Hilfsangebote gibt es eine Mailingliste auf der Seite des B-Ladens, in die sich jede/r Interessierte selbst eintragen kann.
Wohnungen für Flüchtlinge werden vermittelt vom EJF, im ehem. Krankenhaus Moabit, Turmstr. 21, Haus K.
Vermittlung von WG-Zimmern: Flüchtlinge Willkommen.
Wer sich mit den Gesetzen beschäftigen will, findet alle Infos auf den Seiten des Flüchtlingsrates.

Pressemitteilung des Flüchtlingsrats: dieser fordert die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen. Notunterkünfte wurden besucht und viele Mängel festgestellt, u.a. sind auf den ersten Blick besonders schutzbedürftige Personen in Turnhallen ohne jede Privatsphäre untergebracht, Asylverfahren werden verzögert aufgrund von Personalmangel und viele weitere erschreckende Details.

Neue Broschüre des Bezirksamts "Flüchtlinge und Asylsuchende".

Keine Flüchtlinge in Turnhallen, sondern deren Sanierung fordert die BVV (Berliner Woche) und die Abendschau berichtete im zweiten Nachrichtenblock am 26. März, dass geprüft wird, ob die Hallen im Poststadion länger stehen können und für den Sommer gekühlt werden. Die Fertigstellung der Containerdörfer zieht sich hin.

rbb-online: Traglufthallen im Poststadion soll länger als bis Ende April genutzt werden.

Kritik am Chaos bei der Flüchtlingsaufnahme in Berlin (Tagesspiegel).

Laut rbb-online hat Sozialsenator Czaja gesagt, dass die Traglufthallen noch ein Jahr stehen bleiben, ebenso Tagesspiegel und Berliner Morgenpost.

Anfrage der CDU zum Weiterbetrieb der Notunterkunft aus der BVV von 23. April (Drs. 2018/IV) ist noch nicht beantwortet.

Kooperation zwischen dem Unternehmensnetzwerk Moabit, dem BAK, SOS-Kinderdorf und der Stadtmission (Berliner Woche).

Die Deutsche Oper zu Gast in der Traglufthalle (Bericht der Berliner Stadtmission - nicht mehr online).

Die Beratungsstelle des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks vermittelt Wohnungen für Geflüchtete, es gibt aber viel zu wenig Angebote (berlinonline). Meldet Euch! Hier gibt es Informationen für Vermieter zum Download.

Fastenbrechen mit 300 Flüchtlingen im Haus der Weisheit (Webseite QM Moabit-Ost - nicht mehr online).

Eine einfühlsame Reportage über die Traglufthalle in der Berliner Morgenpost.

SC Bomani gewinnt mit Foto einer Flüchtlingsfußballmannschaft (Berliner Woche).

Gutscheinsystem des LAGeSo macht skrupellose "Hostelbetreiber" reich - das will der Bezirk Mitte jetzt ändern (Pressemitteilung Stephan von Dassel)

Projekt Leo für besonders schutzbedürftige Geflüchtete (Berliner Woche).

ZeitOnline über die Traglufthalle (das ist der gleiche Text wie in der Morgenpost s.o.).

Flüchtlingshilfe vom Haus der Weisheit und anderen muslimischen Organisationen (Tagesspiegel).

Das Gasturbinenwerk von Siemens als Teil des Unternehmensnetzwerks Moabit spendet Unterrichtsmaterial (Berliner Woche).

Zur Konkurrenz von Obdachlosen und Flüchtlingen auf die wenigen Schlaftplätze (Tagesspiegel).

Kommentare zum LAGeSo und zu allgemeinen Fragen zur Versorgung von Geflüchteten bitte beim neuen MoabitOnline-Artikel.

Integrationspreis der BVV Mitte 2015 für Mathias Hamann, den Leiter der Notunterkunft in den Traglufthallen, und für Sevgi Bozdag von Interaktiv e.V. (Laudatio von Tilo Siewer, Vorsitzender des Integrationsausschusses) und Bericht der Mittendrin.

Besuch des amerikanischen Botschafters in der Traglufthalle (Berliner Woche).

Es gibt ein Comic zu der Traglufthalle.

Bundesweite Statistik über Flüchtlinge 2015.

Die Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin Susanne Sarandon besucht die Traglufthalle in der Kruppstraße und eine weitere Unterkunft in Wilmersdorf (Tagesspiegel).

Job-Navigation, ein neues Projekt der Stadtmission mit Unterstützung der IHK um Geflüchtete auf dem Weg zum Arbeitsvertrag zu unterstützen, die Berliner Abendschau berichtete am 24.1.2017. Standort: Seydlitzstraße 22. Hier der Bericht der Berliner Woche.

Die Traglufthallen werden zum 31. Juli 2017 geschlossen, geplant ist, dass die Bewohner bereits zwischen dem 21. und 24. Juli umziehen. Familien mit schulpflichtigen Kindern können in der Nähe bleiben, die anderen ziehen nach Charlottenburg-Wilmersdorf oder Reinickendorf (Pressemitteilung Bezirksamt). Die Traglufthallen sind geschlossen und werden abgebaut (moabit.net). Das LAF dazu bei Facebook.

Verfahren zur Schadensermittlung, Niederschrift aus der BVV von November 2017.

Hier jetzt bitte nur noch zu Vorgängen, die die Traglufthallen betreffen, kommentieren - allgemeine Nachträge zur Berliner Stadtmission unter dem neuesten Artikel (früher hier).

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