Von Kinderläden bis zur VipLounge und Lernwerkstatt
Michael Wiesemann-Wagenhuber über das Spektrum des Frecher Spatz e.V.

Farbtupfer nach Moabit zu bringen, ist eines der Ziele der VipLounge des Frecher Spatz e.V. Im Rahmen des Projektes "Starke Kunstwerke - Starke Nachbarschaft", dass durch das Programm "Soziale Stadt" gefördert wird, gestalten VipLounge-Künstlerinnen in diesem Jahr mit Anwohnern, Schulen und Kitas den Kreuzungsbereich der Hutten- und Rostocker Straße. An dem Telekomkasten wirkten Kinder der Wartburg-Schule mit, zudem wurde auch schon ein Balkon (s. Bild unten) von außen bemalt. Die VipLounge, die in der Anfangszeit auch durch "Soziale Stadt" finanziert wurde, kombiniert die Themen Kunst und Nachbarschaft gekonnt miteinander. Vor ihrem neuen Domizil in der Jagowstraße erzählt Michael Wiesemann-Wagenhuber von den Anfängen seines Vereins.

1986 wurde der Frecher Spatz e.V. als Kinderladen in Moabit gegründet. Er hat sich zu einem Träger für verschiedene Kinder- und Schülerläden, Jugendprojekte und Spielplatzangebote sowie für mehrere Schulkooperationen gemausert. Derzeit gibt es 13 Standorte. Wiesmann-Wagenhuber ist Jahrgang 1963, Vater von drei Kindern und stammt aus Weiden in der Oberpfalz. Im Alter von neun Jahren zog er mit seinen Eltern nach Berlin. Er wuchs in Charlottenburg auf, studierte nach dem Abitur Geographie und Geologie. Nach Moabit ging es durch seine Frau. „Echte Moabiter sind wir seit 14 Jahren“, sagt er und meint damit den Umzug in die Kirchstraße. Dort befindet sich mit dem Kinderladen "Frecher Spatz" auch das „Mutterschiff“, die älteste Vereinseinrichtung. Hier fing für den heutigen geschäftsführenden Vorstandvorsitzenden alles an, als er seine Kinder unterbrachte. Der Kinderladen existiert schon seit mehr als 25 Jahren. Weiter ging es mit dem "Frechen Spatz" durch einen Schülerladen, der aus den Bedürfnissen der Eltern gewachsen war. "Mit diesem Laden sind wir in die Elberfelder Straße in größere Räume mit Garten gezogen und gründeten 1999 den K3-Kiez-Klub. Der ist besonders für die Kinder, die zu alt für den Hort und zu jung für einen Jugendklub sind." Zwischen 20 und 40 Jungs und Mädchen werden da pro Tag betreut, u.a. in den Bereichen Kunst, Computer und Sport. Der K3 ist aber vor allem ein verlässlicher Anlaufpunkt für die Essensversorgung und Hausaufgabenbetreuung.
Als die Horte den Schulen angegliedert wurden, begann Wiesemann-Wagenhuber mit der Vergrößerung des Vereins, in dem er ihn mit anderen Moabiter Vereinen fusionierte: "Wir haben damals das 'Schneckenhaus', die 'Bunten Stifte" und später den 'Fliegenpilz' aufgenommen." Dadurch war auch eine Kooperation mit der Anne-Frank-Grundschule möglich, in der der "Freche Spatz" seit drei Jahren mit eigenen Räumen präsent ist. Auch mit der St.-Paulus-Schule arbeitet der Verein zusammen. In einer gebundenen Ganztagsschule in Wedding wirken die Erzieherinnen und Erzieher mit den Lehrerkollegen gemeinsam. Inzwischen hat der "Freche Spatz" zudem einen Charlottenburger Kinderladen übernommen und eine Neugründung im Friedrichshain zu verzeichnen. Er ist damit zu einem mttelständischen Unternehmen gewachsen und beschäftigt aktuell 74 Mitarbeiter. "Angefangen hatte ich vor 16 Jahren mit drei Erzieherinnen im Kinderladen und zwei Erziehern im Schülerladen," so Michael Wiesemann-Wagenhuber, der die ersten Jahre ehrenamtlich arbeitete. Das war bei der großen Verantwortung nicht mehr länger machbar. Also schuf er sich vor vier Jahren seine eigene Stelle. "Mir macht meine Arbeit Spaß, obwohl sie sehr viel Zeit kostet. Es ist ja nicht nur das Organisieren dieses Betriebes. Ich bin ja außerdem in vielen Gremien dabei." Um nur einige zu nennen: Bürgerdeputierter im Jugendhilfeausschuss, Vorsitzender vom Bezirksschulbeirat und Bezirkselternvorsitzender. Ist das nicht zuviel für einen? Er zögert kurz mit der Antwort und nickt: "Ich werde im nächsten Jahr den einen oder anderen Posten abgeben." Und wie geht es weiter mit dem "Frechen Spatz", wird der Verein weiter wachsen? "Das ist nicht auszuschließen, aber ich betreibe das nicht aktiv. Vieles ist über die Jahre an mich herangetragen worden, und ich bin offen für weiteres." Der Chef schwärmt von der von Grund auf gewachsenen Struktur. "Wir haben lauter Mitarbeiter, die sehr eigenständig arbeiten, und die ich eher begleite als dirigiere." Es gibt viele, die seit 20 Jahren im Verein mitwirken. Das Kernteam vom Anfang ist nach wie vor dabei.

Für naturwissenschaftlich Interessierte von 9 bis 16 Jahren ist die Lernwerkstatt in der Melanchtonstraße da. Es gibt hier Labortische und die Technik, um Platinen selbst herzustellen und Lautsprecher zu bauen. Dafür werden noch ehrenamtliche Betreuer vom Fach gesucht. "Auf Straßenfesten machen wir Werbung für die Lernwerkstatt und die VipLounge," erzählt Wiesemann-Wagenhuber. Die Kinderläden hingegen brauchen keine Werbung. "Das funktioniert über Mundpropaganda unter den Eltern, teilweise existieren Wartelisten." Den Vereinschef treibt die Idee, "Dinge dort anzubieten, wo der Staat nicht mehr kann oder will, und dabei auch etwas zu experimentieren." Das kommt an bei den Leuten in Moabit. Von ihnen wünscht er sich mehr aktive Teilnahme, denn "es gibt mehr als Fernsehen und Computer."
Text und Fotos: Gerald Backhaus
Zuerst erschienen in der Moabiter Inselpost, 4. Ausgabe, September 2011
Kontakt:
VipLounge, Jagowstraße 29, 10555 Berlin, Öffnungszeiten: Donnerstag 15 - 18 Uhr
Lernwerkstatt, Calvinstr.22 / Ecke Melanchthonstraße, 10557 Berlin, Tel. 49 78 11 63, Mobil: 0178 3 75 95 01
Lesen Sie auch den Artikel aus der Berliner Morgenpost vom 5.12.11 über Uwe Patschorke, ehrenamtlich engagiert beim Frechen Spatz e.V.
Und den Artikel über Sigrid Splettstößer und Henry Förster vom K3 in der mittendrin-Zeitung.