Straßenbahnnetz-Verlängerung über die Turmstraße hinaus
Bürger*innendialog zu Straßenbahnstreckennetzerweiterungen von U Turmstraße nach U-Mierendorffplatz / S+U Jungfernheide sowie über S+U Beusselstraße zum Virchow-Klinikum an die bestehende Straßenbahnstrecke in der Seestraße

Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz informierte in einer Dialogveranstaltung am 17. Oktober 2017 über den Zwischenstand von im Januar 2017 gestarteten Voruntersuchungen zu Straßenbahnnetzerweiterungsmöglichkeiten vom Hauptbahnhof aus kommend über den U-Bahnhof Turmstraße hinaus. Die als Veranstaltungsort gewählte Reformationskirche war mit interessierten Menschen voll besetzt.
Hintergrund
Streckennetzverlängerung bis U-Turmstraße
Nach aktuellen Planungen wird die Verlängerung der Straßenbahnstrecke vom Hauptbahnhof bis zum U-Bahnhof Turmstraße Ende 2020 / Anfang 2021 in Betrieb gehen. Die nunmehr im Detail untersuchten Varianten für diese Streckennetzverlängerung werden am 15. November 2017, 19.00 Uhr (Einlass ab 18:30 Uhr) in einer Bürger*inneninformationsveranstaltung der BVG erläutert. Im Hinblick auf die langfristige Netzentwicklung ist der vorläufige Endpunkt am U-Bhf. Turmstraße nur als Zwischenschritt zu betrachten.
Weitere Streckennetzverlängerungen nach StEP Verkehr und Koalitionsvertrag

Im aktuellen Stadtentwicklungsplan Verkehr (StEP Verkehr) ist eine Verlängerung der Straßenbahnverbindung vom U-Bahnhof Turmstraße bis zum Virchow-Klinikum als Infrastruktur-Langfristvorhaben enthalten. Am Virchow-Klinikum würde eine Verknüpfung mit dem bestehenden Straßenbahnnetz hergestellt werden, wo derzeit die Straßenbahnlinien 50 und M13 in einer Kehrschleife enden. Dadurch könnten neue Nachfragerelationen im ÖPNV abgebildet werden. Im Verlauf der Trasse bestünde am S-Bahnhof Beusselstraße zudem eine Umsteigemöglichkeit zum S-Bahn-Ring. Der StEP Verkehr und der Koalitionsvertrag der Landesregierung weisen zudem auf eine Verlängerungsoption der Straßenbahn vom U-Bahnhof Turmstraße zum U-Bahnhof Mierendorffplatz (U7) hin. Dabei wäre auch eine Fortführung bis zum Bahnhof Jungfernheide (Regional-, S- und U-Bahn) vorstellbar.
Ziele
Zielstellungen der Planungsüberlegungen in den Untersuchungsgebieten sind:
- Erhöhung der Kapazität und Qualität im ÖPNV
- Bessere Verknüpfung mit dem S- und U-Bahn-Netz
- Kurzfristige und wirtschaftliche Umsetzbarkeit
Untersuchungskorridore
Für die Planung der beiden Straßenbahnnetzerweiterungen wurden zwei Untersuchungskorridore festgelegt. Für beide Korridore werden in den Voruntersuchungen "sich aufdrängende Trassenvarianten" in einem Bewertungsraster auf ihre Vor- und Nachteile untersucht. Der gesamte Untersuchungsraum beinhaltet die Verkehrskorridore vom U-Bahnhof Turmstraße bis zum Virchow-Klinikum an der Seestraße (Untersuchungskorridor I) sowie zum S+U Bahnhof Jungfernheide (Untersuchungskorridor II).

Denkbare Alternativen zur Straßenbahn wären ein verbessertes Bus- / E-Bus Angebot bzw. die Verlängerung der U5. Im Ergebnis ist die Straßenbahn das am besten geeignete Verkehrsmittel in den beiden Untersuchungskorridoren. Mit der Beförderungskapazität von Bussen ist die Nachfrage nicht zu bedienen, viele Busse (M27, TXL) fahren schon in einem sehr dichten Takt. Für die Kapazität einer Straßenbahn bräuchte man 3 Busse, was die Betriebskosten deutlich erhöht. Eine U-Bahnverlängerung wäre von den Investitionen weitaus teurer und die Realisierung würde weitaus länger dauern als die Straßenbahnlösung. Es bedarf jedoch einer baldigen Verbesserung des Verkehrsangebots des ÖPNV im Gebiet.
Trassenvarianten

Zur Bewertung der "sich aufdrängenden Trassenvarianten" in der Untersuchung, was im Hinblick auf ein späteres Planfeststellungsverfahren notwendig ist, werden Kriterien aus Perspektiven von Fahrgästen, BVG, Land Berlin und der allgemeinen Bevölkerung herangezogen. Zu jeder einzelnen Perspektive werden festgelegte Kriterien in einem 5-stufigen Punktesystem bewertet, insgesamt werden 13 Kriterien einbezogen (s. Grafik).
Für den Untersuchungskorridor I einer Straßenbahnnetzerweiterung zum Virchow-Klinikum wurden als „sich aufdrängende Varianten“ hin zur Beusselbrücke Führungen über die Beusselstraße (1-1), über Berlichingenstraße und Sickingenstraße (1-2), oder durch eine der Wohnstraßen östlich der Beusselstraße und Siemensstraße (1-3) betrachtet. Die Untersuchungen für diesen Korridor ergeben vorläufig die Trassenvariante (1-1) über die Beusselstraße als Vorzugsvariante.

Für den Untersuchungskorridor II zum S-/U-Jungfernheide werden zwei Variantenbündel untersucht: Das Variantenbündel 1 betrachtet Trassenvarianten, die über die Sickingenbrücke zum S-/U-Jungfernheide führen. Variantenbündel 2 betrachtet Trassenvarianten, die über die Kaiserin-Augusta-Brücke und S-/U-Mierendorffplatz zum S-/U-Jungfernheide führen. Auch hierzu gibt es nur vorläufige Vorzugsvarianten für die einzelnen Variantenbündel, die abschließende Bewertung steht noch aus.

Als kritischer Punkt stellt sich beim Variantenbündel 1 bereits jetzt die Sickingenbrücke dar, sie müsste wegen ihrer jetzigen Bogenform für die Straßenbahn vermutlich neu gebaut werden, was sich auf die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auswirkt. Bei beiden Variantenbündeln stellt sich eine Trassenführung durch den Abschnitt der Huttenstraße zwischen Wiebestraße und Neues Ufer wegen der Schwerlasttransportstrecke von der Ausfahrt der Siemens Turbinenfabrik in der Wiebestraße durch die Huttenstraße zur RoRo-Verladerampe der BEHALA am Charlottenburger Verbindungskanal hinsichtlich der Oberleitung der Straßenbahn als problematisch dar, da die Oberleitung während des Transports aus dem für die Schwerlasttransporte beanspruchten Höhenprofil bewegt werden müsste. Zudem müsste der Straßenbahnbetrieb auf dem betroffenen Abschnitt unterbrochen werden. Die vorläufige Vorzugsvariante im Variantenbündel 2 von der Huttenstraße über Wiebestraße zur Kaiserin-August-Allee würde dagegen lediglich im Abbiegebereich eine technische Lösung erfordern, mit der die Oberleitung für den im Vergleich kurzen Zeitraum des Turbinentransports aus dem Höhenprofil im Kreuzungsbereich bewegt wird. Sie wirkt sich aber in der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sowie wegen der jeweiligen betrieblichen Störung in der Bewertung aus. Bei den verschiedenen Möglichkeiten den S-/U-Bahnhof Jungfernheide zu erreichen, sind die ins Auge gefassten Lösungsmöglichkeiten für eine Abstellanlage gegenwärtig noch nicht abschließend untersucht. Weitere Informationen zum gegenwärtigen Planungsstand sind der bei der Dialogveranstaltung gezeigten Präsentation (PDF, 5.2MB) zu entnehmen.
Nachfragen von Bürger*innen und Diskussion
Die Nachfragen, Anregungen und Meinungsäußerungen der Bürger*innen erfolgten durchweg in einer sachlicher Form. Als einige wesentliche Ergebnisse zu den Nachfragen seien folgende Punkte genannt:
- Beide vorgestellten Untersuchungskorridore werden einzeln betrachtet, für beide wird getrennt eine volkswirtschaftliche Kosten-/Nutzen Rechnung durchgeführt. Abhängig vom jeweiligen positiven Ergebnis spricht die Verkehrsverwaltung gegenüber dem Senat eine Realisierungsempfehlung aus, dabei gibt es kein Ranking der beiden Korridore. Der Berliner Senat entscheidet politisch über die jeweilige Empfehlung, der Senat kann auch beide Streckenerweiterungen beschließen. Abhängig von den Senatsbeschlüssen wird ggf. die vertiefte Planung eingeleitet.
- Es besteht der deutliche Wunsch an die Politik, das Straßenbahnnetz weiter zu denken als nach aktuellem StEP und Koalitionsvertrag ausgewiesen, z.B. nach Tegel, Spandau, Reinickendorf. Bei den Untersuchungen wurden solche weiteren Streckenergänzungsmöglichkeiten mit betrachtet.
Die Verkehrsverwaltung bearbeitet die Untersuchungsaufträge der zeitlichen Priorität nach StEP und Koalitionsvereinbarung sowie vier weitere Aufträge des Senats zu Prüfung von U-Bahn-Verlängerungen, ein Prüfauftrag zur Verlängerung der U5 ist nicht darunter. - Konkrete Daten zu verschiedenen Bewertungskriterien sollen öffentlich bekannt gemacht werden, z.B. Bilanz von Bäumen, Stellplätzen, Verkehrserhebungszahlen etc.
- Bei der Planung für die Straßenbahn sollen Fuß- und Radverkehr sowie stadträumliche Aspekte, u.a. von Geschäftsstraßen, neben den verkehrlichen ebenfalls beachtet werden. Die Fragestellungen zu eigenem Bahnkörper – alternativ als Rasengleis oder ggf. befahrbar für Busse oder Rettungsfahrzeuge – oder eine straßenbündige Streckenführung sollen in der weiteren Planung vertieft untersucht und zur Diskussion gestellt werden.
- Bei der Planung ist auf fahrgastfreundliche Umsteigebeziehungen zu achten, z.B. sollte der U-/S-Bhf. Jungfernheide künftig von allen Bus- und Straßenbahnlinien auf der gleichen Seite angefahren werden. Die benötigte Abstellanlage am Bahnhof Jungfernheide soll sowohl hierauf wie auch auf eine künftige Netzerweiterungsmöglichkeit ausgelegt werden.
- Bei Anpassungen im Busnetz bleiben die Linien 106 und 123 im Wesentlichen bestehen.
Online-Beteiligung bis 15.11.2017 und Dokumentation der Ergebnisse

Die Dialogveranstaltung zu diesem Zeitpunkt der Untersuchungen dient dazu, dass Hinweise von Bürger*innen wie Institutionen möglichst frühzeitig mit einbezogen werden können. Bis zum 15. November 2017 können Sie Hinweise über ein Online-Beteiligungsverfahren der Senatsverkehrsverwaltung mitteilen. Die Beiträge von Dialogveranstaltung und Onlinebeteiligung werden geprüft, im Anschluss erfolgt die abschließende Bewertung der Varianten für jeden Untersuchungskorridor und eine Kosten-Nutzen-Untersuchung der jeweiligen Vorzugsvariante als Grundlage für weitere Planungsschritte. Der Abschluss der Voruntersuchungen ist für Ende 2017 vorgesehen. Sofern die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für die Vorzugsvariante des jeweiligen Untersuchungskorridors ein positives Ergebnis aufweist, empfiehlt die Senatsverwaltung dem Berliner Senat die Realisierung. Der Senat entscheidet anschließend per Beschluss ob er der Realisierungsempfehlung folgt, dies könnte auch für beide betrachteten Netzerweiterungen erfolgen. Im Falle eines positiven Senatsbeschlusses zur jeweiligen Netzerweiterung würde die Vorplanung auf Basis einer Machbarkeitsstudie finalisiert und nach Fertigstellung in einem 2. Bürger*innendialog vorgestellt werden. Dies könnte in etwa einem Jahr sein. In weiteren Schritten würde dann die finale Planung erstellt, erneut dazu informiert und diskutiert und das förmliche Planfeststellungsverfahren durchgeführt.
Die Auswertung der Dialogveranstaltung und der Onlinebeteiligung werden von der Senatsverwaltung auf der Senatswebsite zur Straßenbahn-Netzerweiterung über die Turmstraße hinaus veröffentlicht, wo sich auch schon die Präsentation (PDF, 5.2MB) befindet.
Nachtrag vom 26.03.2021
Rund dreieinhalb Jahre nach der ersten Dialogveranstaltung lädt die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz für den 14. April 2021 zu einer Online-Infoveranstaltung zur Vorstellung des Planungsstandes für verschiedene Teilabschnitte der Strecke und der Diskussion dazu ein:
Mit den ersten Arbeiten für den Bau der Straßenbahn zwischen Hauptbahnhof und U Turmstraße soll dieses Jahr begonnen werden. Auch die Planung für die weitere Streckenverlängerung schreitet voran. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz erarbeitet zusammen mit den Berliner Verkehrsbetrieben(BVG) und beauftragten Planungsbüros die Vorplanung für die Strecke zwischen U Turmstraße und S+U Jungfernheide Bhf.
In der Informationsveranstaltung am 14.04.2021, 18 Uhr möchte die Senatsverwaltung zusammen mit den weiteren Beteiligten den Stand der Planung für verschiedene Teilabschnitte vorstellen und mit Ihnen diskutieren. Ihre Hinweise helfen dabei, besondere Herausforderungen zu erkennen, zu berücksichtigen und entsprechend in die weitere Planung einfließen zu lassen.
Für die Teilnahme an der Online-Veranstaltung (Zoom Webinar) ist eine Anmeldung erforderlich: https://bit.ly/307YZvo
Vom 15.04. – 29.04. findet zusätzlich zu der Informationsveranstaltung eine Online-Beteiligung auf mein.berlin.de statt.
Die Einladung zur Online-Infoveranstaltung und anschließender Online-Beteiligung als downloadbare Postkarte bzw. Plakat.
Nachtrag vom 15.04.2021
Die am 14.04.2021 gezeigte Präsentation der Online-Veranstaltung steht als PDF (ca. 13 MB) zum Download bereit (Eine zunächst eingestellte Fassung der Präsentation wurde später ausgetauscht, der Link geht auf die spätere Fassung).
Nachtrag vom 15.07.2022
Anfang Juli 2022 hat die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz ihren Artikel zur Straßenbahnplanung aus 2019, der interessanterweise nicht bei "Projekte in Planung" sondern in der Rubrik "Projekte in Umsetzung" geführt wird, mit hübsch bunten Lageplänen "Lageplan Turmstraße" , "Lageplan Turmstraße – Beusselstraße" und "Lageplan Huttenstraße", "Planungsskizzen" für verschiedene Abschnitte und auch Visualisierungen für Kaiserin-Augusta-Allee und am Mierendorffplatz aktualisiert:
https://www.berlin.de/sen/uvk/verkehr/verkehrsplanung/oeffentlicher-personennahverkehr/projekte-in-umsetzung/turmstrasse/