Spielhallen: es wird besser, aber noch lange nicht gut

In Moabit ist die Zahl der Spielhallen in den letzten drei Jahren explodiert. Aktuell gibt es ca. 50. Endlich hat die Politik das Problem erkannt und gehandelt, aber noch stehen viele Maßnahmen am Anfang bzw. werden erst in Jahren greifen.

Spielsucht & Jugendschutz

Geschätzte 34.000-37.000 Spielsüchtige gibt es in Berlin, davon sind 90% männlich. Deutschlandweit sind es ca. 360.000, weshalb sich die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Anfang 2011 für ein vollständiges Verbot von Spielautomaten ausgesprochen hat. Außerdem wurde überlegt, aus Gründen des Jugendschutzes das Alter von 18 auf 21 Jahre zu erhöhen. Leider sind beide Initiativen versandet.

Die Spielsucht und der Jugendschutz sind zwei wesentliche Argumente gegen Spielhallen, aber für viele Anwohner sind sie einfach ein Schandfleck, der durch die grelle Aufmachung das Straßenbild zerstört. Wer hat nicht schon seine Schritte beschleunigt, wenn der Eingang einer Spielhalle näher kam? Und wer die Spieler gesehen hat, fragt sich, woher diese meist traurigen Gestalten das Geld haben. Es wird viel über Geldwäsche und andere illegale Geschäfte spekuliert und im Landeskriminalamt gibt es dazu eine Sonderkommission.

Alle sind dagegen, aber niemand kann was tun?

Seit dem 2. Juni 2011 hat Berlin ein neues Spielhallengesetz. Die wesentlichen Vorschriften sind:

  • 500 Meter Abstand von einer zur nächsten Spielhalle,
  • Abstand zu Jugendeinrichtungen wie Schulen oder Kitas,
  • Schließung zwischen 3 Uhr morgens und 11 Uhr vormittags,
  • die Angestellten müssen in Suchtprävention geschult werden,
  • es dürfen keine kostenlosen Speisen und Getränke mehr ausgegeben werden,
  • Geldautomaten dürfen nicht in der Nähe von Spielhallen angebracht werden,
  • die Vergnügungssteuer wurde von 11% auf 20% erhöht,
  • jede Spielhalle muss ihre Genehmigung nach fünf Jahren erneuern lassen,
  • Ordnungswidrigkeiten können mit Geldbußen bis zu 50.000,- Euro geahndet werden.

Im Juli wurden im Bezirk Mitte 65 Spielhallen kontrolliert, und insgesamt 158 Verstöße gegen das neue Gesetz festgestellt. Wird jetzt also alles gut?

Primär zeigt sich hier das aufgestaute Problem, denn es wurde in den letzten Jahren viel zu wenig kontrolliert. So wird z.B. in

jeder

Spielhalle geraucht, obwohl dies verboten ist. Außerdem wird die Anzahl der Spielhallen erst einmal noch weiter steigen, da bereits genehmigte aber noch nicht eröffnete Spielhallen ihren Betreib aufnehmen werden. Eine spürbare Abnahme von Spielhallen wird es wegen des Bestandsschutzes erst ab Juli 2016 geben, wenn die Konzessionen ablaufen. Bis dahin wird sich die Zahl nur durch Pleiten oder Schließungen durch das bezirkliche Ordnungsamt verringern, sofern dies ausreichend Kontrollpersonal einsetzt.

Was können Sie tun?

Es ist wichtig, dass Verstöße gegen das neue Gesetz bekannt werden. Folgende Dinge können Sie dem Ordnungsamt (Tel.: 9018-22010) oder Bürgertelefon der Polizei (Tel.: 4664-4664) melden:

  • vor 11 Uhr geöffnete Spielhallen,
  • am Volkstrauertag (13. November), Totensonntag (20. November) oder zu Weihnachten (24 & 25. Dezember) geöffnete Spielhallen,
  • keine Warnschilder zum Jugendschutz im Eingangsbereich einer Spielhalle,
  • Jugendliche unter 18 Jahren, die in eine Spielhalle reingehen oder sich aufhalten,
  • von außen einsehbare Spielhallen,

Denken Sie daran: Al Capone ist auch nur wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis gewandert…

In fünf Jahren stellt sich dann die Frage, welche der Spielhallen geschlossen werden und warum gerade diese? Und ziehen die Spielhallen dann in andere Straßen? Dieses Problem könnte durch die vorherige Änderungen des Bebauungsplans angegangen werden. In "reinen" und "allgemeinen" Wohngebieten sind Spielhallen nicht zulässig.

Es gibt in jeder Gesellschaft Dinge, die als schädlich angesehen und deshalb verboten werden, so wie harte Drogen. Oder sie werden stark besteuert, um ihren Konsum zu verringern. Bei Zigaretten macht die Tabak-Steuer über 80% am Gesamtpreis aus. Deshalb sollte die Vergnügungssteuer schrittweise deutlich erhöht werden. Spielhallen erzeugen Probleme und hohe gesellschaftliche Kosten. Es ist höchste Zeit, diese Krankheit konsequent zu bekämpfen. Es kann besser werden, aber bis dahin ist es noch ein sehr langer Weg.

Text: Philip Schreiterer, Fotos: Gerald Backhaus

Zuerst erschienen in der Moabiter Inselpost, 4. Ausgabe, September 2011, lesen Sie aus derselben Ausgabe der Inselpost auch das Interview mit Patrick Giebel, der seine Bachelor-Arbeit über Spielhallen in Moabit geschrieben hat.

Die bisherigen Kommentare zum Thema Spielhallen finden sich unter "Casino Boom".

Nachtrag:
Artikel im Berliner Abendblatt zur Auswirkung des Spielhallengesetzes "Die Spielverderber vom Amt".

Schwerpunkteinsätze des Ordnungsamtes im September, im Oktober, im November, im Dezember 2011, im Januar, im Februar mit der Polizei und im März 2012.

Klagen von Spielhallenbetreibern gegen das neue Gesetz wurden vom Verwaltungsgericht abgewiesen, in einem Fall ist aber teilweise Berufung möglich (Berliner Woche). Das "Berliner Spielhallengesetz ist verfassungsgemäß" meldete die Pressestelle.

Anfrage in der BVV (Drs. 0685/IV)wegen zwei am Karfreitag geöffneten Spielhallen, die trotz Anzeige von der Polizei nicht geschlossen wurden.

Nun gibt es ein Spielcasino nur für Frauen in der Stromstraße 25 und eine BVV-Anfrage (Drs. 1213/IV) dazu. Antworten zu der Anfrage auch im Artikel der Berliner Woche.

Nun machen sich einige Gedanken, was 2016 passieren wird und wie es "fair" ablaufen könnte (Berliner Zeitung).

Spielhallenbetreiber gehen in die Berufung gegen das Spielhallengesetz (Welt).

Für 2016 wird ein Konzept erarbeitet (Berliner Woche).

Pressemitteilung des Bezirksamts, die ersten Spielhallen schließen.

Vor Weihnachten wurden die Klagen gegen das Spielhallengesetz vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen (Berliner Zeitung), aber bis entschieden wird, welche Spielhallen bleiben können und welche nicht, wird es noch etwas dauern (Berliner Zeitung).

Artikel zur Schwierigkeit des Losverfahren für die Spielhallen und eine genaue Erklärung, warum es so lange dauert in der "ecke turmstraße", nr. 3, mai/juni 2017 (auf S. 7).

Berliner Morgenpost: 70 Casinos müssen schließen (auch der Tagesspiegel hat berichtet).

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