Sozialmonitoring Moabit
Vor knapp 2 Wochen berichteten Berliner Tageszeitungen über die Vorstellung der Daten des "Monitorings Soziale Stadtentwicklung 2008" von Prof. Häußermann durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die Berliner Morgenpost stellte fest, dass "Arm und Reich in Berlin streng getrennt leben". In der Mopo sind die untersuchten Gebiete in einer Rangfolge gelistet, sie können einzeln abgerufen werden. In diesem Artikel findet man auch den Infoatlas, mit Daten zu Einwohnerdichte, Alter, Migrationshintergrund usw. Grundsätzlich wird das Monitoring Soziale Stadtentwicklung seit 1998 von der Senatsveraltung als Stadtbeobachtungssytem der sozialräumlichen Entwicklung in Berlin beauftragt, zunächst im Abstand von 2 Jahren, jetzt jährlich. Es soll ein Frühwarnsystem sein. Mit diesem Monitoring bzw. vertiefenden Untersuchungen von Teilräumen wird unter anderem auch die Einrichtung von Quartiersmanagementgebieten begründet.
Diese Untersuchung, die sich auf Daten bis 31.12.2007 stützt, sagt im Ergebnis Wedding-Moabit und Neukölln-Kreuzberg sind die Verliererbezirke (neben Teilen von Spandau und Marzahn-Hellersdorf). Das veranlasste Mittes Bezirksbürgermeister Dr. Christian Hanke Wedding und Moabit als "Vorranggebiet Zukunftssicherung" auszurufen. Hier die Presseerklärung dazu.

Wir haben uns die Aussagen für Moabit mal genauer angesehen. Von den 338 Verkehrszellen, in die Berlin aufgeteilt ist, entfallen auf Moabit sechs. Das sind: 0011 - Großmarkt, 0012 - Putlitzstraße, 0021 - Emdener Straße, 0022 - Perleberger Straße, 0031 - Levetzowstraße und 0032 - Paulstraße. Wie auf der nebenstehenden Karte zu erkennen, ist die Bezeichnung manchmal etwas verwirrend, z.B. enthält die Verkehrszelle (VZ) 0012 - Putlitzstraße die Daten für Lehrter- und Heidestraße. Deutlich erkennbar sind auf der Karte auch die nichtbewohnten Flächen, die weiß bleiben. Die Einwohnerzahlen dieser Verkehrszellen sind sehr verschieden: die wenigsten Einwohner hatte am 31.12.07 die VZ 0012 mit 1.581, die meisten VZ 0022 mit 24.024 Einwohnern. Das spielt natürlich bei der Vergleichbarkeit der Daten eine Rolle.
Folgende soziale Indikatoren wurden auf Ebene der VZ erhoben und sind als Tabelle herunterzuladen (praktischerweise steht Moabit gleich am Anfang, sodass man nicht lange suchen muss): Einwohner, Arbeitslose 15-65 Jährige, Arbeitslose 15-25 Jährige, Langzeitarbeitslose 15-65 Jährige, nicht arbeitslose Empfänger von Existenzsicherungsleistungen, nicht erwerbsfähige Empfänger von Existenzsicherungleistungen unter 15 Jahre und Ausländer unter 18 Jahre. Zusätzlich wurden sogenannte Dynamikindikatoren erfasst (auch als Tabelle abzurufen): Wanderungsvolumen (also wieviele sind weg- oder zugezogen), Wanderungssaldo (sind mehr weg- oder zugezogen), Wanderungssaldo von Kindern unter 6 Jahren, Veränderung des Anteils der deutschen Empfänger von Existenzsicherungsleistungen, Veränderung des Anteils der ausländischen Empfänger von Existenzsicherungsleistungen und die

Veränderung des Anteils der unter 15jährigen Empfänger von Existenzsicherungsleistungen. Alle diese Indikatoren sind zusätzlich auf Karten abzulesen. Hier findet man die Liste der Karten.
Hier will ich mich auf zwei Karten, die die Ergebnisse zusammenfassen, beschränken. Die erste Karte bildet die Zusammenfassung der sozialen Indikatoren ab, also den sozialen Status. Die Farben haben folgende Bedeutung: rot - sehr niedrig, orange - niedrig, blau - mittel, grün - hoch/sehr hoch.
Die zweite Karte trifft Aussagen zur Entwicklungsdynamik der Verkehrszellen, also ob sie sich verbessert oder verschlechtert haben oder ob sie unverändert geblieben sind.

Hier stelle ich nur die Farben auf dem Kartenausschnitt von Moabit dar: pink - sehr niedrig (unverändert), blau - mittel (unverändert), dunkelrot - sehr niedrig (verschlechtert), hell-orange - niedrig (unverändert).
Interessant sind auch die Karten zu den einzelnen Indikatoren, denn bei einzelnen Daten sieht es wieder ganz unterschiedlich aus. Die VZ 022 - Perleberger Straße wurde in den meisten Zeitungsberichten erwähnt, als positives Beispiel für die Verbesserung der sozialen Situation, wobei einige Journalisten sich bei der Besichtigung eher fragten, woran man das real ablesen kann. Für Teile von diesem Gebiet wird ab April ein Quartiersverfahren eingesetzt, wobei der Stephankiez wegen seiner positiven Entwicklung außen vor bleibt. Doch die Verkehrszellen geben eine solch differenzierte Betrachtung gar nicht her.
Natürlich habe ich mich besonders mit der Entwicklung der Lehrter Straße (VZ 0012) beschäftigt und erstaunliches herausbekommen. Während die Sozialindikatoren nach wie vor eher schlecht sind: Arbeitslose 16,6 %, Arbeitslose unter 25 Jahre 14,3 %, Langzeitarbeitslose (mehr als 1 Jahr) 5,8 %, Existenzsicherungsleistungen beziehen insgesamt 35,3 %, bei den unter 15jährigen sogar 64,8 % und Ausländer sind 25,7 %, sieht es bei den Dynamikindikatoren ganz anders aus: 1,1 % sind zugezogen, Kinder unter 6 Jahre sogar 4,5 %. Es git 0,9 % weniger deutsche Hilfeempfänger, allerdings 5 % mehr ausländische und 1,1 % mehr Hilfeempfänger unter 15 Jahren.
Nachtrag vom 25.3.09 (Dank an Hartmut Eschenburg):
Auszug aus dem Abschnitt 5 "Empfehlungen für die Stadtentwicklungspolitik":
"Bei dieser integrierten Strategie sollte die Bildungszukunft von Kindern und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen. Wie Schulstudien zeigen, liegen die schulischen Leistungen in den räumlich zusammenhängenden Gebieten mit niedrigem Entwicklungsindex häufig weit unter dem Berliner Durchschnitt, was sich an der geringen Quote von Gymnasialempfehlungen und an der hohen Quote von Schulabgängern ohne Abschluss zeigt.
Dies ist nicht nur eine empfindliche Beeinträchtigung der Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen, sondern bedeutet auch eine Gefährdung der wirtschaftlichen Zukunft der gesamten Stadt.
Daher sollte für diese Gebiete eine integrierte Strategie mit dem Schwerpunkt auf Verbesserung der Bildungschancen entwickelt werden. Begonnen werden sollte eine solche Strategie in Wedding / Moabit und Nord-Neukölln, da sich in Kreuzberg momentan eine Aufwärtsentwicklung zeigt."