Rathenower Straße 23: Hausverkauf mit Mann, Frau, Maus

Mieterinnen und Mieter fordern den Bezirk Mitte auf das Vorkaufsrecht auszuüben

Vor etwa drei Wochen haben sie durch ein Schreiben der Mieter­beratung Prenzlauer Berg, die auch für die Milieu­schutz­gebiete in Mitte zustän­dig ist, erfahren, dass ihr Haus schon wieder verkauft wurde. Preis und Käufer unter­liegen dem Daten­schutz. Weil das Haus im Milieuschutzgebiet "Bir­ken­straße" liegt arbeitet das Bezirks­amt eine Abwen­dungs­ver­ein­barung aus und prüft parallel das Vorkauf­srecht (Erklärfilm /Milieuschutz Tutorial). Mit der Abwen­dungs­vereinbarung soll sich der Käufer verpflichten bestimmte teure Moder­ni­sie­rungs­maßnahmen und Umwandlung in Eigen­tums­wohnungen für eine bestimmte Zeit zu unter­lassen. Die Zeit für den Vorkauf ist denkbar knapp - nur zwei Monate bis die Finan­zierung stehen muss. Zuerst werden städtische Wohnungs­bau­gesell­schaften gefragt, die jedoch bei den heute üblichen extrem über­höhten Preisen oft abwinken. Als sogenannte "Dritte", die für den Bezirk die Häuser erwerben, kommen aber auch Genossen­schaften oder Stif­tungen in Frage.

Die erste Pressemitteilung des Aktions­komitees R23, an die der Titel dieses Artikels angelehnt ist, kann auf der Webseite des Netzwerks "Zusammen für Wohnraum" Wedding/Moabit nach­ge­lesen werden. Einen Kurz­bericht über die Aktion am 24. August, als Mieter­*innen vor dem Haus und im Hof Trans­parente malten und mit Unter­stützung der Ini­tia­tive "Wem gehört Moabit?" und des Runden Tischs gegen Gentri­fizierung an einen Info­stand mit Kaffee und Kuchen etwa 70 Exemplare an Nachbar­*innen verteil­ten, gibt es auf der  Nach­richten­seite moabit.net. Auch beim Perlen­Kiez­fest haben Mieter­*innen über ihre Situation informiert und um Unter­stützung gebeten.

Die Rathenower Straße 23 ist ein typischer Altbau mit Vorderhaus, Seitenflügel und Quer­gebäude. Von den insgesamt 33 Wohnungen stehen acht leer. Sechs der leerstehenden Wohnungen sind aber bereits saniert. Von den 25 Mietparteien mit etwa 45 Bewohnern sind etwa ein Dutzend im Rentenalter. Es gibt fünf Familien mit Kindern, fünf Paare ohne Kinder, zwei Witwen, 14 Singles und ein knappes Dutzend Kinder. Viele Mietparteien leben schon sehr lange hier: 20, 30, 40, 50, 60 Jahre, eine Familie bereits seit 1918 aktuell mit der dritten und vierten Generation. Daraus ergibt sich eine sehr große Spanne der aktuellen Mieten und die sehr hohe Verdrängungsgefahr der langjährigen Mieter*innen, die stark im Kiez verwurzelt sind. Selbst die Mieterberatung sagte: "ein Paradebeispiel der Verdrängung".

Im letzten dreiviertel Jahr trafen sich die Mieter*innen bereits mehrere Male zu Hausversammlungen, einmal sogar mit einem der beiden Eigentümer von der Rathenower 23 GbR, Wolfgang Köhnk, CEO der Pickens Selfstorage, die das Haus 2014 gekauft hatten. Doch ging es dabei um Modernisierung. Das Haus hat durchaus Instand­setzungs­bedarf, so sind viele Keller feucht und der unterkellerte Hof rottet auch vor sich hin. Die Modernisierungsankündigungen jedoch, die im

September 2018 ins Haus flatterten, beinhalten nur am Rande die dringend notwendigen Instand­haltungs­maß­nah­men, sondern sehr umfassende Bau­maßnahmen wie Anbau von zwei Bal­konen, die die Mieter*innen gar nicht wünschen, eine zentrale Heizungs­anlage, neue Elektro­anlagen, neue Wasser- und Abwasser­stränge, den Anbau von Fahr­stühlen, die nur auf der halben Treppe anhalten können usw. Das teil­weise noch bewohnte Dach­geschoss im Vorderhaus sowie die Dach­geschosse auf Seiten­flügel und Hinter­haus sollen komplett abge­rissen und drei große Luxus­dach­wohnungen mit Terrassen auf allen drei Gebäude­teilen neu errichtet werden. Mit dem Bezirks­amt wurde über die Geneh­migung ver­handelt und, obwohl die kiez­spezi­fischen Verord­nungs­mieten die Umlage nach Moderni­sierung begrenzen, hätten die Auf­schläge durch Moderni­sierung­sumlage die Mieten für langj­ährige Bewohner*innen teil­weise mehr als ver­dop­pelt. Härte­fall­anträge wurden einge­reicht. Der Gerüst­aufbau war schon für November 2018 und dann noch einmal für Februar 2019 ange­kündigt, aber erst im Frühjahr kam das gemein­same Treffen zustande, dafür aber keine Einigung mit dem Dach­geschoss­bewohner.

Mieter­*innen nahmen Kontakt auf mit Mieter­*innen der Karl-Marx-Straße 179 in Neukölln, ein weiteres Haus der­selben Eigentümer, das bereits Presse und Politik beschäftigt hat, u.a. kam es durch Beschädigung der Gasleitung wegen Abrissarbeiten zu wochenlangem Ausfall von Heizung und Kochmöglichkeiten. Als nächstes musste dort ein Abrissantrag der CDU für das teilweise bewohnte Haus abgewehrt werden, denn auf einem hinteren Grundstücksteil sind Neubauten geplant.

Aber zurück nach Moabit:
Unterstützt die Mieter*innen der Rathenower Straße 23, damit der Bezirk sein Vorkaufsrecht ausübt!
Das hat er in der Rathenower Straße 50 und 59 auch schon getan, doch ist bei der Nr. 50 nach Widerspruch eine Klage anhängig und bei der Nr. 59 ein Widerspruchsverfahren. Die Gotzkowskystraße 33 wurde vorgekauft, bei der Rostocker Straße 27, Wiclefstraße 62-63, Beusselstraße 68, Stephanstraße 9 und der Waldstraße 37 standen keine "Dritten" zur Verfügung. Für die Emdener Straße 23, Dreysestraße 6 und Beusselstraße 48 wurden Abwen­dungs­ver­ei­bar­ungen unterschrieben. Über den Ausgang weiterer Prüffälle sind wir nicht informiert.

Kommt zur Bezirksverordnetenversammlung am 5. September in die Karl-Marx-Allee 31. Hier stellt die Rathenower 23 eine Bürgeranfrage.

Fotos: Jürgen Schwenzel, Susanne Torka, Ralf G. Landmesser

Kontakt zum Aktionskomittee R23: moabits@power.ms

Nachträge:
Der Film der Mieter*innen "Die R23 bleibt!"

https://vimeo.com/359959543

In der letzten Woche vor Ablauf der Vorkaufsfrist ist die Zitterpartie immer noch nicht zu Ende. Hier die 4. Pressemitteilung.

Am Samstag, 28. September 16-20 Uhr beim Ortstermin gibt es Performances, Lesung, Musik und Film

Trotz Unterstützung durch Bezirks- und Landespolitik war keine Wohnungsbaugesellschaft zum Vorkauf bereit! Bericht im MieterEcho Online.

Satire Film zur Rathenower Straße 23 von Kirsten Wechslberger: https://www.youtube.com/watch?v=i8OxKLY8Fb0

Umwandlung in Eigentumswohnungen wurde genehmigt / musste genehmigt werden (wenn Eigentümer versichert die ersten 7 Jahre nur an Mieter zu verkaufen).

2021 haben die Bauarbeiten im Dachgeschoss, Abbau des alten Daches und Neubau von Dachgeschosswohnungen mit Terrasse im Hinterhaus begonnen. Es wurde keine Dachüberbauung mit Gerüst erstellt. In beiden betroffenen Wohnung im 4. OG gibt / gab es an vielen Stellen Wassereinbrüche, herunterrieselnden Putz und Schimmel.
Eine Dringlichkeitsanfrage wurde in der BVV gestellt (Drs. 3313/V vom 19.8.21, noch nicht beantwortet) und ein Antrag auf Baustopp (Drs. 3315/V vom 30.8.21). Beachtet dazu auch die Kommentare ab Nr. 16.

2022 hat der Eigentümer beim Dachgeschossausbau auf Vorderhaus und Seitenflügel offensichtlich aus den Fehlern gelernt und eine Dachüberbauung errichtet.

Weitere Kommentare zur Rathenower 23 findet ihr auch unter dem Gedicht "Der arme Poet von Moabit". Es gab weitere gerichtliche Auseinandersetzungen, 2023 eine fristlose Kündigung und einen Toten im Dachgeschoss.

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By Susanne Torka