Rathenower Straße 16 – leergezogen und abgerissen?

Die Haushaltskonsolidierung des Bezirks Mitte schlägt mal wieder zu - diesmal in Moabit-Ost. Gerade dort, wo ein Defizit an Jugendeinrichtungen herrscht im Verhältnis zu anderen Regionen des Bezirks, das auch in den offiziellen Materialsammlungen des Jugendamts dokumentiert wird. Gerade dort, wo die verschiedenen freien Träger und bezirklichen Einrichtungen seit einiger Zeit eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit untereinander zum Wohl der Menschen aufgebaut hatten. Bei der aktivierenden Befragung, die der Moabiter Ratschlag im Auftrag des damals neuen Quartiersmanagements durchgeführt hat, wurde auf die Frage "Wo kann man Hilfe finden, wenn man nicht mehr weiter weiß?" die Rathenower Straße 16 besonders häufig genannt. Jetzt wird das Hochhaus und der flache Anbau auf dem künstlichen Hügel aufgegeben. Und das schon zum 1. Januar 2011.

Dafür gibt es einen Bezirksamtsbeschluss. Das heißt alle Stadträte des Bezirks Mitte haben sich darauf geeinigt zu diesem Zeitpunkt das Grundstück abzugeben. Noch nicht entschieden sei, ob es an den Liegenschaftsfonds Berlin zur Veräußerung übergeben wird oder an die BIM (Berliner Immobilien Management GmbH) zur Nachnutzung, wie Carsten Spallek, der Stadtrat für Wirtschaft und Immobilien mitteilte.  In den vergangenen Monaten war noch den Versuch unternommen worden, das Gebäude an einen freien Träger oder einen Trägerverbund abzugeben - allerdings ohne Erfolg. Wie bei vielen anderen bezirkseigenen Gebäuden müsste mittelfristig eine Menge Geld für die Sanierung des Instandhaltungsstaus in die Hand genommen werden und welcher Träger kann sich das schon leisten.

Die Erziehungs- und Familienberatung des Bezirks Mitte für Moabit zieht um in die Turmstraße 75. Die Regionalen Sozialpädagogischen Dienste (RSD) sowie Sozialraum­koordinatoren, Jugendgerichtshilfe und Haftentscheidungshilfe ziehen um ins Rathaus Tiergarten, Mathilde-Jacob-Platz 1. Auch einige freie Träger können ihre Arbeit in bezirkseigenen Räumen weiterführen. So das Projekt "tagesgruppe in Schule" der Technischen Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft, die voraussichtlich in die Brüder-Grimm-Grundschule an der Tegeler Straße im Wedding umziehen wird. Auch zwei berufs­orientierende Projekte von "Neues Wohnen im Kiez" nämlich JAM (Jugend Aktiv in Mitte) und ABO (Aktivierende berufliche Orientierung) haben neue Räume gefunden, im Container oberhalb der Jugendeinrichtung "Schlupfwinkel" an der Kaiserin-Augusta-Allee 98-100, wohin sie eigentlich gerne schon vor einem Jahr umziehen wollten. Bisher noch keine Räume gefunden hat das Jugendberatungshaus mentos-mitte, der Landesverband Berlin der Falken, sowie das Büro der Falken-Jugendfahrten. Auch der Bildungsmarkt e.V.  sucht noch Räume für die Küche. Ausbildungsangebote dieses Trägers wurden schon an einen anderen Standort verlegt und sind damit für Moabiter Jugendliche und junge Erwachsene schlechter zu erreichen. Die freien Träger, die das Gebäude nutzen, haben erst im Sommer davon erfahren, dass sie bis zum Ende des Jahres neue Räume finden müssen.

In der Überschrift steht aber noch das Wort "abgerissen", wenn auch mit Fragezeichen. Es gibt Überlegungen gegenüber der Birkenstraße einen öffentlichen Platz als Eingang in den Fritz-Schloß-Park zu bauen. Bei diesem Plan wäre das Gebäude abgerissen, der künstliche Hügel eingeebnet und neue Baugrundstücke ausgewiesen. Wieder Filetgrundstücke am Park? Aber wie gesagt, eine Entscheidung ist noch nicht getroffen.

Nachtrag 2011:
Der Bebauungsplan mit dem Abriss für höherwertiges Wohnen ist hier zu finden.

Nachtrag 2012:
Ausschreibung für die 24 Berliner Familienzentren, eines soll in der Rathenower Straße 17 (bisher Heinrich-Zille-Haus und kubu) entstehen.

Nachtrag 2013:
Das Familienzentrum existiert im Ausweichquartier, aber bald ist der ehemalige "Kubu" fertig saniert und dann werden dort Familien-, Kinder- und Jugendangebote einziehen.

Nachtrag 2014:
Eröffnung in der Berliner Woche.

weitere Nachträge:
mittlerweile ist wohl klar, dass das Hochhaus stehen bleibt und nur der langgestreckte Riegel abgerissen wird und der künstliche Hügel mit den Garagen.

Bezirksamtsbeschluss vom 23.6.15 zum Umbau, Abriss, Neubau der Rathenower Straße 16. Hier sollen Räume für soziale Projekte, betreutes Wohnen, Jugendeinrichtungen, Musik und Kultur entstehen (BA-Vorlage 1221/2015, leider nicht mehr online im Archiv der BA-Beschlüsse 2015). Vorstellung durch die GSE bei der Betroffenenratssitzung Lehrter Straße im Juli (Protokoll).

Perspektive Visualisierung Projektentwurf "Besondere Wohnformen", GSE gGmbh mit S.E.K. Architektinnen
Perspektive Projektentwurf "Besondere Wohnformen", GSE gGmbH mit S.E.K. Architektinnen
Montage in Luftbild
Die Visualisierung einmontiert ins Luftbild, GSE gGmbH mit S.E.K. Architektinnen

Der Projektentwurf „Besondere Wohn­formen“ zur Rathenower Straße 16, den die GSE Gesellschaft für StadtEntwicklung gGmbH zusammen mit S.E.K. Architektinnen, zur Teilnahme am Projekt­aufruf "Experi­menteller Geschoss­­woh­nungs­bau in Berlin" im Rahmen des Sondervermögens Infrastruktur der wachsenden Stadt (SIWA) hat, gehört zu den am 19.11.2015 von einer Jury ausgewählten neun Projekten. 24 Projektbeiträge waren zum Wettbewerb eingereicht worden. Vier Projekte können ggf. noch nach Überarbeitung ihrer Konzepte in das Förderprogramm aufgenommen werden. Dies teilte die Senatsverwaltung am 20.11.2015 mit. Das GSE Projekt sieht "eine Ergänzung eines Ensembles ehemals öffentlicher Gebäude mit einer maximal flexiblen Baustruktur, Mischung aus Wohnen und Kultur mit spezifischen Angeboten für besondere demografische und soziale Gruppen" vor. Das zugrunde liegende ausführliche Konzeptpapier der GSE ist im obigen Nachtrag zum BA Beschluss vom 23.06.2015 bereits verlinkt.

Die SIWA-Fördermittel (für alle Projekte) sollen laut Wettbewerbsausschreibung für bis zu 500 Wohnungen und Plätze in gemeinschaftlichen Wohnformen eingesetzt werden. Die Bemessung des Baukostenzuschusses erfolgt demnach auf Grundlage einer Teilwirtschaftlichkeitsberechnung, der Zuschussbetrag ist auf maximal 55.000 € pro Wohnung bzw. 22.500 € pro Wohnplatz in gemeinschaftlichen Wohnformen begrenzt.  Bei Erstvermietung darf höchstens eine Nettokaltmiete von 6,50 €/m2 Wohnfläche monatlich verlangt werden.  Die Nettokaltmiete darf jeweils nach Ablauf von 24 Monaten ab der mittleren Bezugsfertigkeit der geförderten Wohnungen um bis zu 0,20 €/m2 Wohnfläche angehoben werden. Die weiteren Förderbedingungen sind in der Wettbewerbsausschreibung nachzulesen.

Nachdem es hier einfach nicht weitergeht, das Grundstück nicht an die GSE übertragen wurde, ist schon länger eine Kooperation zwischen WBM und GSE in Arbeit, die auch nicht voran kommt. Hier die Antwort auf eine Schriftliche Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus vom 26. Oktober 2017.

Auch eine schriftliche Anfrage in der BVV (0233/V) wurde beantwortet. Trotzdem wird eigentlich nicht wirklich klar, warum es nicht weitergeht. Es gibt wenigstens eine Notübernachtung der Kältehilfe mit 37 Plätzen und ab Frühjahr 2018 werden auch Räume für eine Krisenwohnung für suchtkranke Menschen genutzt werden können. Niederschrift Vorstellung beim Stadtentwicklungsausschuss vom 13.12.2017.

Bei der Betroffeneratssitzung am 5. Juni 2018 hieß es, dass die Art der Zusammenarbeit zwischen WBM und GSE jetzt klar sei und der B-Plan auf den Weg gebracht werde.

Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte lädt ein zu einer öffentlichen Veranstaltung am 23. Januar 2019, bei der der Zwischenstand eines beschränkten städtebaulichen Wettbewerbs der WBM zum Grundstück Rathenower Straße 16 vorgestellt und in Arbeitsgruppen zusammen mit Architekt*innen und Gutachter*innen diskutiert werden soll.

Berliner Morgenpost zu den Plänen.

Das Projekt auf der WBM-Seite.

Bebauungsplan wird aufgestellt (Berliner Woche). BA-Beschluss vom 1.10.2019 über die Aufstellung des Bebauungsplans II-91-1 „Rathenower Straße 16“, mit Anlage 1 Zeichnung B-Plan Vorentwurf und Anlage 2 Ergebnis des Gutachterverfahrens für die Bebauung.

Am Dienstag, den 29. Oktober 2019 findet um 18 Uhr im Zille-Haus eine öffentliche Veranstaltung zur Planung des Quartiersplatzes statt (hier der Flyer).

Am Freitag, den 1. November findet von 9:30 bis 15 Uhr ein sog. "Brutalismus Symposium" zum Erhalt des Gebäudeensembles statt mit Unterstützung des Landesdenkmalamtes und am 12. November 19 Uhr ein Workshop (hier der Flyer).

Die sogenannte "frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung" zum Bebauungsplanverfahren II-91-1 findet vom 28. Oktober bis einschließlich 15. November 2019 statt, kündigte Bezirksstadtrat Ephraim Gothe in einer Pressemitteilung am 21.10.2019 an.

Dazu jetzt ein neuer MoabitOnline-Artikel, bitte dort weiter kommentieren.

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