Mittelbereich Lehrter Straße - jetzt beteiligen!
Für einen Monat, noch bis zum 19. Mai 2010 liegen die Unterlagen zum Bebauungsplan 1-67 (B-Plan) für den Mittelbereich der Lehrter Straße im Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung aus (siehe Details unten am Ende des Artikels). Bürger_innen können Stellungnahmen dazu abgegeben. Am 26. April hatte das Bezirksamt zu einer Erörterungsveranstaltung in den großen Saal der Berliner Stadtmission eingeladen. Der Tagesspiegel berichtete.
Auf dem Podium: Baustadtrat Ephraim Gothe, Henrik Thomsen (Vivico), Sylvia Carpaneto und Florian Köhl, die Sieger des städtebaulichen Wettbewerbs sowie Christian von Lengerke, dessen Büro den Bebauungsplan bearbeitet. Moderation: Heinz Tibbe, gruppe planwerk, Beauftragter des Bezirks Mitte für den Stadtumbau West in diesem Teil von Moabit. Ganz so voll wie zu den vorherigen Veranstaltungen beim Wettbewerb war die Versammlung diesmal nicht. Aber eine ganze Reihe Anwohner_innen, die sich dafür interessieren, wie es vielleicht in einigen Jahren oder eher doch Jahrzehnten hinter der langen Backsteinmauer aussehen wird, waren zur Erörterungsveranstaltung gekommen.

Gothe erklärte Vorlauf und Ziel des Verfahrens. Der Bezirk Mitte habe sich entschieden, den Entwicklungsdruck, der auf der Lehrter Straße spätestens seit Eröffnung des Hauptbahnhofs liege nicht der Eigendynamik von Investoren zu überlassen. Dann hätte jeweils von Fall zu Fall über die Zulässigkeit eines Bauvorhabens entschieden werden müssen. Mit dem Wettbewerb im vergangenen Jahr und der Aufstellung des B-Plans wolle der Bezirk der Entwicklung vorgreifen und Bebauungsdichte, zulässige Nutzungen, Wege- und Freiraumbezieungen festlegen, damit der "Markt" sich in den "Plan" einpassen muss. Proteste von Anwohnern gegen Hostel- und Hotelbauten hatten allerdings Ende 2008 erst einen kräftigen Anstoß dazu geben müssen, worauf die Bezirksverordnetenversammlung Mitte den Erhalt der Lehrter Straße als Wohnstraße verabredete und die Zukunftswerkstatt auf den Weg brachte. Die Erörterungsveranstaltung war bereits die vierte Veranstaltung im Rahmen dieser Zukunftswerkstatt, eine weitere zum Thema Verkehr folgt am 21. Juni 2010.
Carpaneto und Köhl stellten die Überarbeitung ihres Konzeptes vor:
In einigen Details wurde die Planung geändert. Das betrifft allderdings nicht so Grundlegendes wie die vorgesehene Geschossfläche, die gebaut werde soll, nämlich 76.000 Quadratmeter, davon 60% Wohnen und 40% Gewerbe. Auch die vorgesehenen vier Baufelder mit ihren Zufahrten und Tiefgaragen sind nicht verändert. Die Geschosshöhen der Baukörper sind mit roten römischen Zahlen angegeben (den Plan anklicken für eine größere Ansicht). Zur Bahntrasse hin soll generell Dienstleistung und Gewerbe angesiedelt werden, zur Lehrter Straße hin Wohnen. Weitere Nutzungsschwerpunkte sind neu in den Plan aufgenommen worden, im nördlichen Bereich (auf dem Plan links) mehr Gewerbe, im südlichen Bereich (rechts auf dem Plan) vorwiegend Wohnen. Einer der Zwischenriegel ist entfallen und ganz rechts im Anschluss an die bestehende Bebauung ist ein weiterer geschützter Gartenbereich ähnlich wie der hinter der Backsteinmauer entstanden. Auch der zentrale Platz gegenüber des Haupteingangs zum Poststadion ist verändert worden. Hier steht jetzt ein viergeschossiger Würfel, um den sich Geschäfte, Arztpraxen und Gastronomie gruppieren sollen. Damit gibt es eine bessere Verbindung von der Lehrter Straße über die von allen gewollte Brücke über die Bahn ins zukünftige Heidestraßenquartier. Schließlich sollen die Kinder, die dort in Zukunft mal wohnen werden in der Kurt-Tucholsky-Schule an der Rathenower Straße eingeschult werden.

Die Architekten betonten, dass mit der Überarbeitung der Planung auf die Wünsche der Jury eingegangen wurde und eine gute Zusammenarbeit mit der Vivico besteht. Als mögliches Szenario für die Entwicklung stellen sie sich vor, dass zunächst der Grünzug an der Bahntrasse als Ausgleichsmaßnahme gebaut wird, für den die Gelder schon bereitliegen, danach verschiedene Modelle der Wohnbebauung verwirklicht werden könnten, dann das Gewerbe im Norden und zum Schluss das Gelände der Kleingärtner von der Eisenbahnlandwirtschaft.

Von Lengerke, als Bearbeiter des B-Plans erklärte, dass die bei der Erörterungsveranstaltung gemachten Äußerungen inhaltlich in die Abwägung einfließen. Es wird allerdings trotz Tonmitschnitt kein Wortprotokoll angefertigt. Der B-Plan bezieht die östliche Seite der Lehrter Straße von der Kulturfabrik, Lehrter Straße 35 bis zu den Wohnhäusern Lehrter Straße 20-22 ein. Es soll ein Mischgebiet festgesetzt, jedoch störende Nutzungen wie Tankstellen oder Gartenbaubetriebe ausgeschlossen werden. Die Abgrenzung der neu zu schaffenden öffentlichen Grünfläche zwischen Erschließungsweg für die Kulturfabrik und dem Klara-Franke-Spielplatz wird erst im weiteren Verfahren geklärt werden. Zu diesem Thema ist weitere Bürgerbeteiligung vorgesehen, eine Veranstaltung zu den Freiräumen nach der Sommerpause.

Tibbe präzisierte die Pläne der Kulturfabrik, die einen Bauantrag für die oberen zur Zeit nicht genutzten Geschosse stellt, die mit einem Fahrstuhl an der südlichen Brandwand erschlossen werden sollen. Im Erdgeschoss sollen Außenflächen für das Café entstehen. Deshalb soll der Spielplatz in Ost-West-Richtung gedreht und nach hinten erweitert werden. Am bahnbegleitenden Grünzug (Baubeginn 2011) sollen etwa 2.000 Quadratmeter sogenannte "Pioniergärten" neu entstehen, die von Mieter_innen, Kleingärtner_innen oder Vereinen genutzt werden können. Wer daran Interesse hat, kann sich jetzt schon beim Bezirksamt melden. Auf die Nachfrage an wem im Bezirksamt der Wunsch nach einem Garten zu richten sei, erklärte sich Gothe höchstpersönlich für zuständig (ephraim.gothe@ba-mitte.verwalt-berlin.de).
In der folgenden Diskussion wurden viele verschiedene Fragestellungen angesprochen: Ob nicht eine kleinteiligere Nutzungsmischung innerhalb eines Gebäudes ein lebendigeres Quartier entstehen lassen würde, als die vorgesehene Zonierung. Hierzu wurde erklärt, dass die Zonierung dem Lärm von der Bahntrasse geschuldet sei, die Bautypen jedoch kleinteilige Durchmischung zulassen würden. Ausdrücklich sind Baugruppen erwünscht, die selbst entscheiden können, ob sie zum Beispiel Werkstätten oder Büros in ihr Wohngebäude integrieren. Weiterhin wurde über die Verkehrsbelastung, die Erschließung des Gebietes mit Fahrstraßen und Fuß- sowie Radverbindungen und über die Tiefgaragen diskutiert. Es gab Befürchtungen, dass die Wohnhäuser an der Lehrter Straße möglicherweise den Sport im Poststadion beeinträchtigen könnten. Außerdem wurde die Frage gestellt, warum denn das gesamte Plangebiet als Mischgebiet (MI) ausgewiesen werden soll und nicht die bereits bestehenden Wohngebäude und evtl. weitere Teilbereiche, in denen vorwiegend Wohnen vorgesehen ist, als allgemeines Wohngebiet (WA). Denn in Wohngebieten gelten zum Beispiel viel strengere Lärmemmissionswerte, was im Konfliktfall den Bewohnern mehr Rechte gibt. Geschäfte können dann nicht mitten in der Nacht beliefert werden. Es wurde die Frage gestellt, warum die GRZ höher ist, als die in Mischgebieten übliche 0,6 nämlich 0,8. Die Baumasse auf dem Grundstück und die Dichte erscheint vielen Anwohner_innen zu hoch. Sie hätten sich, wie in der zum Wettbewerb erarbeiteten Broschüre dargelegt, mehr ökologisches Bauen und sozialverträglichen Umgang mit den jetzigen Nutzer_innen seien es Kleingärtner_innen oder Kleingewerbetreibende vorgestellt. Auch die Sorge um Fällungen von Bäumen treibt viele um.
Zum Schluss möchte ich auffordern, informieren Sie sich, nehmen Sie die Gelegenheit wahr, ihre persönliche Stellungnahme zum B-Plan 1-67 für den Mittelbereich der Lehrter Straße abzugeben. Alle Einwände müssen bearbeitet werden.
Hier die Links vom Stadtplanungsamt des Bezirksamts Mitte zu den Unterlagen des Entwurfs des Bebauungsplans 1-67 für die Grundstücke Lehrter Straße 20-31 und 35, die angrenzenden Flurstücke 161, 163 und 202 sowie Teilflächen des Grundstücks Heidestraße 35, 39 und des hier angrenzenden Flurstücks 211 im Bezirk Mitte, Ortsteil Moabit:
Presseveröffentlichung(PDF, 95 KB)
(PDF, 2,6 MB)
g (PDF, 2,8 MB)
Die Unterlagen liegen aus in der Iranischen Straße 3, Zimmer 237a, Tel. 9018-45732, während der Dienststunden Montag bis Mittwoch 9 - 15 Uhr, Donnerstag 9 - 18 Uhr und Freitag 9 - 14 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung. Auch im B-Laden ist während der Öffnungszeiten Montag und Donnerstag von 15 - 19 Uhr ein Exemplar einzusehen.
Die Schlussdokumentation des oben etwas verkürzt "Wettbewerb" genannten "städtebaulichen Gutachterverfahrens Lehrter Straße" ist hier herunterzuladen (pdf, 8,1 MB).
Fotos: Jürgen Schwenzel
Kritische Anmerkung zum vorheringen Planungsprozess
Nachtrag vom 4. Juni 2010:
Die ausgelegten Unterlagen sind nach Wegfall der Bereitstellung durch das Bezirksamt beim Betroffenenrat Lehrter Straße bereit gestellt.
Nachtrag vom 11.1.2011:
Als Vorlage zur Kenntnisnahme für die Sitzung der BVV am 20.1. sind die Auswertungen der Bürgerbeteiligung, der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und die Planzeichnung im Netz zu finden.
Nachtrag Juli 2011:
Die Planung geht weiter und wurde Ende Juni 2011 bei einer Veranstaltung zum neuen Stadtplatz, der gegenüber vom Poststadioneingang liegen soll, vorgestellt. Die Berliner Woche berichtete am 6.7. 2011. Weitere Informationen, Protokoll und Präsentation unter: www.lehrter-strasse-berlin.net.
weitere Nachträge:
In der BVV vom 22.3.2012 wir über das Ergebnis der Beteiligung der Behörden und die Durchführung der Abwägung zum B-Plan 1-67 für den Mittelbereich beschlossen. Unter diesem Link sind die Einwendungen und wie mit ihnen umgegangen wird (Drs. 0211/IV), herunterzuladen.