Material für Ausstellung zum Krankenhaus Moabit gesucht

Jutta-Schauer Oldenburg organisiert eine Ausstellung zur Geschichte des ehemaligen Krankenhauses Moabit. Ein Schwerpunkt dieser Ausstellung soll der 16jährige Kampf der Beschäftigten und Moabiter gegen die Schließung des Krankenhauses sein. Die Ausstellung ist für den Sommer geplant im Rahmen der Aktivitäten zum 150. Jubiläum der Eingemeindung Moabits (und Weddings) nach Berlin. Vor 10 Jahren wurde das Krankenhaus geschlossen. Noch ein Grund zurück zu blicken. Wer kann etwas beitragen? Wer besitzt Flugblätter, Zeitungsauschnitte, Fotos oder andere Dokumente? Wer kann Geräte und Ausstattungsgegenstände als Leihgabe für die Ausstellung zur Verfügung stellen? Bitte melden Sie sich unter: Tel. 396 50 17 oder jutta.schauer-oldenburg@gmx.de

Im Kampf gegen die Schließung (1985-2001) gab es viele Höhepunkte. Einer davon war der 18 Meter lange Musik-Truck "Love-Ambulance" mit "Dance-Nurses" als Wagen der Love-Parade  1999. Im gleichen Jahr hatte Jutta Schauer-Oldenburg mit 12 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus Protest einen Hungerstreik organisiert. Im September vor 10 Jahren musste das Krankenhaus Moabit schließen. Etwa 750 Beschäftigte wurdenn damals betriebsbedingt gekündigt.

Eine kurze Geschichte des Krankenhauses:
Erbaut wurde das Krankenhaus 1872 als Seuchenlazarett auf Moabiter Ackerland. Es bestand aus einzelnen Baracken für Kranke bei Cholera-, Typhus- und Pockenepidemien. Diese Baracken gibt es schon lange nicht mehr. Das älteste erhaltene Gebäude ist das ehemalige Schwesternwohnhaus (gebaut 1893-95), das heute von der Physiotherapieschule Prof. Vogler genutzt wird. Der im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstörte reich verzierte Verwaltungsbau wurde 1974 abgerissen und an seiner Stelle 1977 das Gesundheitsamt mit der markanten Aluminiumfassade gebaut. Nach dem Umzug des Gesundheitsamtes sind dort vorrübergehend Akten der Staatsanwaltschaft untergebracht, es wurden allerdings bald Probleme mit Asbestgefahr bekannt (Update: Umbau für die Staatsanwaltschaft). Ein besonderer Blickfang ist der abgebildete Bau von Ludwig Hoffmann (1902-04), früher ein Wohnheim für Pflegerinnen. Wer mehr über die Baugeschichte wissen möchte, sollte den Eintrag in die Denkmalliste der Senatsverwaltung lesen.

Gegen die Unterbringung von Epidemiekranken hatten die Moabiter übrigens damals aus Angst vor Ansteckung vergeblich protestiert. Nach einigem Hin und Her mit zwischenzeitlichen Schließungen in den Anfangsjahren  entwickelte sich das Krankenhaus zu einer renomierten Institution, die 1920 zum Universitätsklinikum avancierte. Von Anfang an spielte die medizinische Versorgung der armen Bevölkerungsschichten eine wichtige Rolle. Robert Koch experimentierte hier mit Tuberkulin zur Tuberkulosebehandlung. Lydia Rabinowitsch-Kempner wurde mit der Untersuchung der Milch auf Tuberkelbakterien beauftragt und führte mit Carl Bolle den sog. Moabiter Milchkrieg. Viele auch international berühmte Ärzte wirkten am Moabiter Krankenhaus.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden jüdische Ärzte, die 70% der Ärzteschaft ausmachten, und solche die der Arbeiterbewegung nahestanden entlassen. Ärzte, die der NSDAP nahe standen, traten an ihre Stelle, auch hier wurden Zwangssterilisationen vorgenommen. Doch gab es mit der Europäischen Union um Georg Groscurth und Robert Havemann auch aktiven Widerstand. Diese Zeit beleuchtet das Buch "nicht mißhandeln" von Christian Pross und Rolf Winau ausführlich. Es ist als Sonderdruck der Dorotheenstädtischen Buchhandlung zu bekommen. Die Ausstellung "nicht mißhandeln" wird im dritten Stock im Rathaus Tiergarten gezeigt. Der ausführliche Wikipedia-Artikel zum Krankenhaus Moabit ist äußerst lesenswert. Schöne Fotos findet man bei Vilmoskörte.

Nachträge:
Ein Bericht über die gelungene Ausstellung auf der Webseite des QM Moabit West.

So fotografiert könnte die leerstehende ehemalige Küche auch irgendwo in Brandenburg stehen.

Sehr interessant ist die Dokumentation des Ausstellungprojektes "Die ehemalige Krankenpflegeschule im städtischen Krankenhaus Moabit", das von Bewohnern des Obdachlosenheims in der Lübecker Straße 6 erarbeitet und gezeigt wurde. Da gibt es einige Fotos aus den 1960er Jahren und 2013, Interviews mit Ingrid Thorius und Jutta Schauer-Oldenburg und die Ausstellung der im Keller gefundenen Reste.

Die Gedenktafel für Georg Groscurth, die nach der Demontage des Zauns am Eingang Turmstraße zunächst am Seiteneingang zu Haus E montiert worden war, ist jetzt wieder gut sichtbar an der Turmstraße 21 angebracht. Dazu ein Artikel über den Widerstand im Krankenhaus Moabit in der Berliner Woche.

Datenbank verfolgter Ärztinnen und Ärzte des Berliner Städtischen Gesundheitswesens. Wenn man dort unter "Recherche" tätig in Tiergarten eingibt, kann man die Kurzbiografien der verfolgten Ärzte aus dem Krankenhaus Moabit (und einige aus anderen Bezirksstellen) ansehen.

Günther Jonitz, Chef der Ärztekammer, mit der Idee das Krankenhaus Moabit wieder zu beleben (Tagesspiegel).

Bilanz der Arbeit der Gewaltschutzambulanz nach fast einem Jahr.

Die Ausstellung über die Geschichte des Krankenhauses in den 1920 und 1930er Jahren, über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus im 4. OG des Rathauses Tiergarten wird am 27. Januar 2015 neu eröffnet (Pressemitteilung).

Standortentwicklungskonzept von KoSP im Auftrag des Bezirksamts. Wo könnte noch gebaut werden auf dem Krankenhaus-Gelände? (Berliner Woche)

Eröffnung der Beratungsstelle für Sehbehinderte im GSZM, Haus M, 3. Etage, Eingang Birkenstraße (Berliner Woche).

Berliner Woche zu Rudolf Virchow und den Anfängen des Krankenhaus Moabit.

Neue Stelen zur Geschichte wurden 2021 aufgestellt.

Am 6. Juni 2024 hat der Verein "Sie waren Nachbarn" eine Broschüre “Das Krankenhaus Moabit” veröffentlicht. Mit dem Untertitel “Antisemitismus 1933 und heute” wird darin die Ausstellung des Vereins zur Geschichte des einstigen Krankenhauses beleuchtet. Außerdem dokumentiert die Broschüre einen Teil der Reaktionen auf den Brandanschlag gegen die Ausstellung. Die Broschüre hat 60 Seiten und ist kostenlos. Sie kann auch als PDF heruntergeladen werden.

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By Susanne Torka