Ich hab’ ne Meise
Und nicht nur eine! Aber immer schön der Reihe nach! Es fing mit etlichen Holzresten an. Ich baue mir meine Möbel nämlich zum Teil selbst, und da bleibt natürlich immer etwas Holz übrig. Sechs unterschiedlich lange, aber gleichbreite Brettchen lagen da in der Kiste. Für die Orange Box oder gar zum Verheizen waren sie mir zu schade. Warum also nicht ein Kistchen bauen, der obere Deckel schräg? Mit der Lochsäge ein Loch hineingesägt und das ganze auf dem Balkon am Rankgitter oben angeschraubt. Bis zu zwölf Spatzen trieben sich ja manchmal auf meinem Balkon herum, weil im Winter, wenn Schnee liegt, in einem kleinen Blumentopfuntersetzer ein paar Körner liegen. Auch die Meisen, vor allem Blaumeisen, wissen dann den Meisenknödel zu schätzen. Die Spatzen lernen anscheinend von den Meisen, wie man sich an so einem Knödel festhalten und fressen kann, die „dümmeren“ versuchen es aber lieber vom Ast eines im Blumenkasten sich selbst ausgesäten Ahorn-Bonsais. Sobald der Schnee getaut ist, gibt es aber nichts mehr, denn dann finden die kleinen gefiederten Freunde genug in der Natur. Es waren dann aber zwei Kohlmeisen, die das Kistchen beäugten und für gut befunden hatten. Eifrig trugen sie allerhand Ästchen in ihren kleinen Schnäbeln in ihr neues Zuhause. Etliche Pflanzenreste, Stengel, vertrocknetes Heu und so weiter, hatte ich in eine größere Plasteschüssel gelegt und auf dem Balkon liegen lassen, ein SB-Baumarkt für Vögel gewissermaßen. Eine Zeitlang war dann Ruhe, ich hatte einige sehr freche Spatzen am Kistchen bemerkt. Ein Kampf schien die Kohlmeisen vertrieben zu haben. Doch dann flogen sie immer wieder ihr neues Heim an, mit Würmern im Schnäbelchen (jetzt Körner zuzufüttern wäre völlig verkehrt, das bekäme den Küken überhaupt nicht!). Sie hatten also gebrütet. Ganz leise hört man es piepsen: Ich hab’ halt nicht nur eine Meise, sondern eine ganze Meisenfamilie! Meiner Hausverwaltung, einer Genossenschaft, habe ich die neuen Untermieter – sie zahlen aber nicht mit Euro, sondern mit Gesang – natürlich korrekterweise gemeldet. Ein Schmunzeln war die Reaktion, denn der Vorstand selbst hatte diese Form des „Sozialen Wohnungsbaus“ auch schon auf dem großen Hof betrieben. Leerstandsquote: Wie bei Genossenschaften üblich, Null! Wenn das doch mit Wohnungen für Menschen auch so einfach ginge ...
Andreas Szagun