Fritz-Schloß-Park: Seine militärische Vorgeschichte

Im Moabiter Fritz-Schloß-Park laufen seit geraumer Zeit Erdarbeiten zur vorsichtigen Um- und Neugestaltung der Grünanlage. Der sanft ansteigende Park zeigt dem Eintretenden ein harmloses, grünes und freundliches Gesicht. Die in Moabit zugezogenen Neubürger und auch unsere hier geborenen Jungbürger zweier Generationen wissen sehr oft nichts über die militärische Vergangenheit dieses Areals.
Heute schwer vorstellbar ist die gewaltige Ausdehnung des ehemaligen Militärgeländes. Zwischen dem jetzigen Hauptbahnhof entlang der Invalidenstraße bis zur Einmündung in die Straße Alt-Moabit, die Rathenower Straße entlang bis zur Krupp- und Feldzeugmeisterstraße über die Perleberger Straße und die Lehrter Straße wieder zurück bis zum Hauptbahnhof erstreckte sich seit 1848 / 1881 / 1893 in drei Etappen das größte Kasernen- und Exerzierplatzgelände Berlins außerhalb der alten Stadtgrenze im 19. Jahrhundert.
Die ältesten Kasernen standen seit 1848 für fast 100 Jahre bis zum Abriss auf dem Gelände der heutigen Zille-Siedlung für die 2. Garde-Ulanen mit Ställen für 670 Pferde. 1881 folgten Kasernenbauten zwischen Perleberger- und Kruppstraße für die 1. Garde-Feldartillerie mit großem repräsentablen Offizierskasino, der jetzigen Botschaft Usbekistans. Die große Mitte zwischen Krupp- und Seydlitzstraße entlang der Rathenower Straße nahmen seit 1891 Kasernen ein, die mit einem riesigen Exerzierplatz bis zur Lehrter Straße für das 4. Garderegiment zu Fuß gebaut wurden.
Erst 1926 wurde von diesem Platz das Gelände für das heutige Poststadion abgetrennt. Der Versailler-Vertrag nach dem verlorenen ersten Weltkrieg mit seinen militärischen Beschränkungen auf ein 100.000 Mann-Heer machte schließlich viele der vorhandenen Militärkapazitäten entbehrlich. Zurück blieben bis zum Kriegsende 1945 die Kasernen entlang der Rathenower Straße mit einem dahinter gelegenen verkleinerten Kasernenhof. Dieser Hof ist größengleich mit dem jetzigen Fritz-Schloß-Park. Die Trümmer der Ende 1944 bombenzerstörten Kasernen und weiterer Moabiter Häuserschutt wurden seit 1950 zu einem Berg aufgeschüttet, mit Pflanzerde bedeckt und landschaftsgärtnerisch gestaltet.

Unter dem freundlichen Gesicht des Fritz-Schloß-Parks liegt also eine militaristische Mine; 97 Jahre Geschichte von drei Waffengattungen preußischen Militärs und eines Wachregiments, zunächst der Reichswehr und später der Deutschen Wehrmacht zur NS-Zeit. Eine Geschichte von Schweiß und Drill soldatischen Lebens, vom unerbittlichen Exerzieren nach früherer militärischer Doktrin, von verblendeten Offizieren beim Durchsetzen fanatischer Ideologien kaiserlicher oder faschistischer Natur, aber auch Ort tragischer Geschehnisse während der sogenannten Fabrikaktion im Februar 1943 bei der Festnahme und Verbringung 2000 jüdischer Mitbürger zur Deportation nach Auschwitz
Ende des Jahres 1918/19 war die Rathenower Straße Standort und Kommandostand der berüchtigten Freiwilligen-Brigade Oberst Wilhelm Reinhard, ehemaliger kaiserlicher Frontkommandeur, die sich bei der Niederschlagung der sogenannten Novemberrevolution republikanisch gesinnter Arbeiter, Soldaten und Matrosen in Berlin durch exemplarische Exekutionen hervortat.
Tragisch schließlich für die deutsche Geschichte und für den Tod geschätzter eine Million weiterer Menschen von Juli 1944 bis Mai 1945 war die Rolle des Kommandeurs des Wachreginents Großdeutschland, Major Otto Ernst Remer, der mit Soldaten seines Regiments am 20. Juli 1944 nach dem missglückten Hitlerattentat aus der Rathenower Straße in die Bendlerstraße zum Oberkommando der Wehrmacht fuhr und die dort anwesenden Verschwörer um Oberst Claus Schenk Graf Stauffenberg in den späten Abendstunden ohne Gerichtsurteil erschießen ließ. Eine Chance zum früheren Kriegsende war vertan.

Der fatale Endpunkt einer Militärgeschichte in Moabit mündet in die scheinbar versöhnende Verwandlung des gleichen Areals in einen Freizeitpark mit Angeboten für Erholung, Jogging, Kinderspiel, geruhsames Spazierengehen und Besinnung.
Geschichtsbewusstsein ist die Voraussetzung zum Verständnis der Gegenwart - und man sieht nur, was man weiß. Was vergessen wird, war nicht. Der Bürgerverein "BürSte" und der Verein für eine billige Prachtstraße—Lehrter Straße wünschen sich einen Hinweis auf die Vorgeschichte des Geländes. Am Eingang zum Park gegenüber dem Kriminalgericht könnte eine fest aufgestellte Tafel Informationen der hier beschriebenen Art in Kurzform geben. Wer Interesse hat dabei mitzuwirken, kann sich melden.
Text und Bilder: Joachim Schulz, zuerst veröffentlicht in LiesSte, Zeitung für den Stephankiez, Nr. 3 Dezember 2007, www.stephankiez.de (nicht mehr online).
Nachtrag:
Mittlerweile hat BürSte die virtuelle Gedenktafel für den Fritz-Schloß-Park ins Netz gestellt, auf der die Geschichte noch genauer nachgelesen werden kann mit vielen Bildern (bitte auf der Webseite oben rechts auf Menue klicken um die einzelnen Seiten aufzurufen).