Flying Fisch auf der Turmstraße
Seit knapp zwei Jahren bauen die Brüder Tolga und Beytulah Aktürk ihren Fischhandel in Berlin auf

Man kann sich hier oft nicht entscheiden. Silbrig glänzende Sardinen? Oder lieber frische Doraden, Maischollen - oder Fische, deren Namen man bislang noch gar nicht kannte? Und wer angesichts der Vielfalt immer noch unschlüssig ist, nimmt erstmal eine Portion Fish and Chips: ganz frisch zubereitet und dampfend.
„Flying Fisch“ heißt der Laden in der Turmstraße, der ein wahres Wunderkästchen ist. Auf kleinster Fläche viele Sorten frischen Fisch und Meeresfrüchte, vor allem aus dem Mittelmeerraum, Räucherware, außerdem Fischsuppe, belegte Brötchen und speziell auf Wunsch zubereitete Tellergerichte. Alles zu bezahlbaren Preisen. Man guckt, staunt und ist neidisch: So einen Fischladen hätte man auch gern vor der Haustür! Dann bleibt der Mund endgültig offen stehen, denn der freundliche ältere Verkäufer fragt ganz selbstverständlich: Die Köpfe von den Sardinen abmachen? Die Doraden schuppen und ausnehmen?
Ich meine, machen Sie mal von einem Kilo Sardinen die Köpfe ab oder schuppen Sie Doraden. Und finden Sie mal einen Fischhändler, der Ihnen das ganz freundlich und selbstverständlich anbietet, ohne Aufpreis, und ganz nebenbei noch Imbisse frisch zubereitet.
„Flying Fisch“ ist ein Familienbetrieb. Vor knapp zwei Jahren startete Tolga Aktürk das Geschäft gemeinsam mit seinem Bruder Beytulah. Sie fingen an mit buchstäblich „fliegenden Fischen“, nämlich Handel an Wochenmarktständen: am Hermannplatz und in der Karl-Marx-Straße, Inzwischen gibt es auch feste Ladengeschäfte: in der Turmstraße, in der Badstraße und demnächst in Kreuzberg. Bald eröffnen sie auch eine Filiale in der Moabiter Arminius-Markthalle.
Der Laden in der Turmstraße ist nur ein kleiner Container in einer Baulücke, und trotzdem ist er gut besucht. Die Kunden schätzen den frischen Fisch ebenso wie das Imbiss-Angebot. Das Geheimnis der beliebten Fish and Chips - ausgebackenes Fischfilet und Kartoffelecken - erklärt Tolga Aktürk mit den orientalischen Gewürzen: „Es schmeckt eben nicht so ‚fischig‘. Das zieht auch Leute an, die nicht unbedingt Fischfans sind.“
Es geht mit viel Engagement und Fleiß wieder bergauf, nachdem Aktürks Familie schon einmal eine Krise und Pleite mit einem Obst- und Gemüsehandel durchgemacht hat. Den Kopf steckt hier niemand in den Sand, auch wenn Tolga Aktürk öfter mal Kopfschmerzen hat - vor allem wegen der Ämter und strengen Vorschriften. So müssen sie eine Abwassereinrichtung selbst bezahlen.
Noch schlimmer sind aber die hohen Gewerbemieten in der Turmstraße: „Mieten wie am Kudamm“, sagt Tolga Aktürk. „Das macht auf Dauer alle kleinen Geschäfte hier kaputt.“ Die „Blume 2000“ nebenan, ebenfalls ein kleiner Familienbetrieb, muss jetzt zumachen, weil die beiden Betreiberinnen die hohe Ladenmiete nicht mehr bezahlen konnten. Auch Aktürk hat sich für die Ladenräume interessiert. „Aber 4000 Euro für 100 Quadratmeter - das ist doch nicht mehr normal!“
Text: Ulrike Steglich, Foto: Christoph Eckelt, bildmitte
Zuerst erschienen in der "ecke turmstraße", Nr. 4 - Juli/August 2011