Ferienwohnung auf dem Kieker
Viele Betreiber wollen es bewusst auf eine juristische Auseinandersetzung ankommen lassen
15 000 zur Unterkunft für Urlaube umfunktionierte Wohnungen soll es in Berlin geben. Die Verfolgung von Besitzern, der als zweckentfremdet angezeigten Wohnungen, erweist sich als mühselig.

Die Umsetzung der am 1. Mai in Kraft getretenen Zweckentfremdungsverordnung gestaltet sich weiterhin zäh. Mit der Verordnung soll unter anderem die Nutzung von Mietwohnungen als Ferienapartments unterbunden werden. Nach groben Schätzungen soll es in Berlin bis zu 15 000 derartige Objekte geben.
Am 31. Juli endete die Frist, in der die Betreiber ihre Ferienwohnungen bei den zuständigen Stellen in den Bezirken anmelden konnten, um in den Genuss einer zweijährigen Übergangsregelung zu kommen. Im besonders betroffenen Bezirk Mitte gab es nach Angaben des Stadtrats für Soziales und Bürgerdienste, Stephan von Dassel (Grüne), 1583 Meldungen. Bis Anfang September sollen möglichst alle Betroffenen einen Zwischenbescheid über die befristete Duldung erhalten. Es gebe allerdings auch Fälle, bei denen erst geprüft werden müsse, ob es sich bei dem Anmelder tatsächlich um den Besitzer oder Verfügungsberechtigten des Ferienobjekts handele, so von Dassel am Mittwoch auf nd-Nachfrage.

Doch die eigentliche Arbeit fängt erst an. Der Stadtrat geht davon aus, dass bislang nur maximal 50 Prozent der im Bezirk betriebenen Ferienwohnungen gemeldet wurden. Man werde daher eigene Recherchen auch im Internet anstellen und fordere die Bürger zur aktiven Mitarbeit auf. Bislang ist allerdings unklar, wie gegen die säumigen Betreiber dann vorgegangen werden soll. Zunächst muss ein Anhörungsverfahren eingeleitet werden, an dessen Ende auch ein Bußgeld oder eine sofortige Untersagung der Zweckentfremdung stehen kann. Allerdings geht man im Bezirksamt davon aus, dass es viele Betreiber bewusst auf eine juristische Auseinandersetzung ankommen lassen wollen, um auf diesem Weg die Verordnung zu kippen.
Etwas entspannt hat sich die Personalsituation. Noch vor wenigen Monaten hatte der Stadtrat öffentlich beklagt, dass die Verordnung wegen fehlender Ressourcen faktisch nicht umgesetzt werden könne. Doch jetzt kann der chronisch klamme Bezirk außer den vier für den Bereich Zweckentfremdung eingerichteten festen Stellen bis zu sechs weitere Mitarbeiter befristet einsetzen. Diese sollen dann auch verstärkt den Hinweisen von Bürgern auf zweckentfremdete Wohnungen nachgehen. Eine mühselige Arbeit, da viele Ferienwohnungen im Internet über externe Vermittler angeboten werden und man die eigentliche Adresse erst bei der Buchung erfährt. Daher könne es in einigen Fällen lange dauern, bis man überhaupt die zustellungsfähige Adresse des eigentlichen Betreibers ermittelt habe, so von Dassel. Auch gebe es für entsprechende Anschreiben noch keine Software.
Initiativen wie der »Runde Tisch gegen Gentrifizierung« unterstützen das Vorgehen des Bezirksamts. Es werden Flyer verteilt, in denen die Bürger über die Verordnung informiert und aufgefordert werden, Ferienwohnungen in ihrem Umfeld direkt an das Bezirksamt zu melden: zweckentfremdung@ba-mitte.berlin.de. Am kommenden Dienstag stellt sich von Dassel auf dem Stadtteilplenum Moabit West im Stadtschloss (Rostocker Straße 32) den Fragen der Bürger.
Text: Rainer Balcerowiak, Fotos: Susanne Torka
Zuerst erschienen: neues deutschland.de Politik, Berlin /Brandenburg vom 22.8.2014
Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/943276.ferienwohnung-auf-dem-kieker.html
Nachtrag:
Bericht über Stadtteilplenum August 2014.
Was für eine Panne: Bezirksamt darf nicht in Internetportalen nach Ferienwohnungen suchen (TAZ) und Kommentar in der Berliner Zeitung.
Ein paar Tage später Entwarnung, Ämter dürfen doch im Netz recherchieren (Berliner Morgenpost).
Berliner Zeitung: immer noch viele Ferienwohnungen in den Online-Portalen.
Der Gentrification-Blog zum Thema Ferienwohnungen mit Beispielen aus Kreuzberg und Moabit.
Interview mit Stephan von Dassel zum Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum (Februar 2015). Weitere Nachträge und Kommentare jetzt dort.