Fegen statt pflegen - Pflaster statt Wildwuchs
Interview mit Aline Delatte und Christine Pradel zum Mittelstreifen der Turmstraße und den Einflussmöglichkeiten der Stadtteilvertretung
Ende Mai hatte die Stadtteilvertretung Turmstraße (StVT) einen Beschluss gegen die Versiegelung des Mittelstreifens der Turmstraße gefasst. Diesem Beschluss wird das Bezirksamt wohl nicht folgen. Diskutiert wurde das Thema auf einer halböffentlichen Beiratsrunde zum Verkehr an 9. Juli 2014 (Kurzbericht auf der Seite der AG Verkehr der StVT). Bereits am 18. Juni hatte die B.I. SilberahornPlus ausführlich über den Konflikt berichtet und auch die ecke turmstraße widmete in ihrer Sommerausgabe dem Verkehrsthema eine ganze Seite (Ausgabe 5/2014, S. 3). MoabitOnline hat sich Mitte Juli mit Aline Delatte und Christine Pradel getroffen, die beide in der AG Verkehr der Stadtteilvertretung mitarbeiten, und sie zur Wirksamkeit der Bürgerbeteiligung im allgemeinen und speziellen befragt.

MO: Aline, Du bist seit 2013 neu in der Stadtteilvertretung Turmstraße, die alle zwei Jahre neu gewählt wird. Christine, Du hast von 2011 bis 2013 in diesem Gremium mitgearbeitet, bist 2013 nicht mehr angetreten, Du arbeitest aber weiterhin in der AG Verkehr mit. Wie beurteilt Ihr beide den Einfluss, den die Stadtteilvertretung auf die Planungen im Aktiven Stadtzentrum Turmstraße nehmen kann?
Aline Delatte: Ich bin in der Stadtteilvertretung, das Plenum jeden vierten Montag im Monat ist öffentlich. Die konkrete Arbeit findet hauptsächlich in den verschiedenen Themen-AGs statt. Ich mache bei der AG Verkehr mit, die sich mindestens einmal im Monat trifft, bei Bedarf aber noch öfter. Dann gibt es noch die Beiratsrunde, auch jeden Monat. Da treffen sich die Sprecher_innen der Stadtteilvertretung mit dem Koordinationsbüro (KoSP) und Mitarbeitern vom Bezirk Mitte und der Senatsverwaltung. Für den Beirat können Fragenkataloge formuliert werden, die Fragen werden dann entweder direkt oder, wenn das nicht möglich ist, später beantwortet. Wir erhalten darüber ein Protokoll. Das läuft ganz gut. Die zweite Möglichkeit um Einfluss zu nehmen ist das Plenum, in dem Mitglieder der Stadtteilvertretung und Interessierte sich mit den Planungsbeteiligten des Förderprogramms austauschen und diskutieren. Das KoSP ist immer dabei und informiert uns fachlich. In das Plenum werden Anträge in den AGen Verkehr, Grün, Wohnen u.a. eingebracht und als Beschlüsse der Stadtteilvertretung abgestimmt.
Christine Pradel: Bis März 2013 war ich eine der Sprecher_innen der Stadtteilvertretung. Obwohl ich mich nicht mehr in die Stadtteilvertretung wählen lassen wollte, bin ich in der AG Verkehr geblieben, weil mich die Themen interessierten und ich den Neuen bei der Einarbeitung helfen wollte. Die Themen, die wir bearbeitet hatten, sind auch noch lange nicht abgeschlossen.
Aline Delatte: Die Kommunikation zwischen KoSP. Verwaltung und Stadtteilvertretung läuft meiner Meinung nach gut. Manche Punkte werden zwar nicht so wirklich entspannt diskutiert, aber es gibt auch viele Themen, bei denen wir übereinstimmen.
MO: Aktuell habt Ihr Euch dafür eingesetzt, dass der grüne Mittelstreifen der Turmstraße nicht komplett gepflastert wird. Wie ist es überhaupt zu diesem Vorschlag gekommen und was habt Ihr dagegen unternommen?

Christine Pradel: Schon 2012 fand die erste Begehung der Turmstraßen-Gehwege, im Planerdeutsch „Seitenbereiche“, mit der AG Verkehr statt. Auch der Mittelstreifen wurde begutachtet, aber noch nichts festgelegt. Zwischenzeitlich hat das Planungsbüro gewechselt. Am 24. Februar 2014 erklärte Herr Zech, vom Planungsbüro ZECH-CON bei einer öffentlichen Veranstaltung, wie die Gehwege und der Mittelstreifen gestaltet werden sollen. Dabei geht es um die Art der Pflasterung, so kommt z. B. ein Pflasterstreifen, an dem jeder erkennen kann, wie weit Tische auf den Gehweg gestellt werden dürfen und wo der Platz für die Fußgänger freigehalten werden muss oder darum, wo Fahrradbügel aufgestellt werden sollen. Letztere fehlten im Entwurf leider noch. Der Mittelstreifen war in dieser Planung grün mit Bäumen und nur die Überwege und ein Rand sollten gepflastert werden. Doch bereits kurz nach der Veranstaltung, wurde in der März-Ausgabe der ecke turmstraße berichtet, dass das Grünflächenamt den Rasen auf einen grünen Mittelstreifen nicht pflegen könne, weil die Turmstraße nur noch eine Fahrspur und den Fahrradstreifen haben wird. Die Verkehrssicherheit der Mitarbeiter sei nicht mehr gegeben. Im April wurde dann die neue Planung „Kleinsteinpflaster in Mörtelbett“ öffentlich*(Anmerkung, siehe unten). Nur die Flächen rund um die Bäume sollten davon ausgenommen sein. Alle Pläne sind auf der Seite des Aktiven Zentrums Turmstraße zum Download bereitgestellt.
Die Stadtteilvertretung hat den Beschluss gefasst, den Mittelstreifen grün zu erhalten. Wir haben bei einem BVV-Ausschuss für Stadtentwicklung darüber diskutiert und kurzfristig sah es so aus, als ob man entscheiden könnte, dass nur die Gehwege, aber nicht der Mittelstreifen umgestaltet werden. Das würde auch weniger Geld kosten. Doch jetzt hieß es aus dem Grünflächenamt, sie könnten die Pflege auch aus finanziellen Gründen nicht mehr durchführen, weil der Bezirk in diesem Bereich so viel spare.

Auf der Beiratssitzung am 9. Juli stellte Herr Katerbau vom Grünflächenamt klar, dass er keine andere Möglichkeit sähe. Auch die Sanierungsverwaltungsstelle habe wohl zugestimmt, dass die Fördermittel für die Pflasterung ausgegeben werden. Dann müsse die Fläche von der Berliner Stadtreinigung sauber gehalten werden. Fegen statt pflegen also. Wir haben zwar Verständnis für die Zwangssituation der Bezirksverwaltung, aber darunter darf doch das eigentliche Ziel des Förderprogramms nicht leiden. Das Geld soll doch eingesetzt werden um aus der Turmstraße eine attraktive Einkaufsstraße zu machen. Diese Entscheidung aber verschlechtert das Umfeld. Der grüne Mittelstreifen mit Büschen und Wildkräutern ist lebendig, bindet den Staub und bringt Farbe ins Straßengrau. Sicher, ab und an müssen die existierenden Büsche zurückgeschnitten werden. Besser als die aufwändige Versiegelung mit Pflaster wäre es dann nur Kies aufzubringen. Da könnte dann wenigstens der Regen drin versickern. Deshalb habe ich an den Landesrechnungshof geschrieben und die Verschwendung der Fördermittel angeprangert. Doch der kann nicht ins Verwaltungshandeln eingreifen.
Aline Delatte: Ich glaube nicht, dass die Pflasterung noch gestoppt werden kann, obwohl der Vorschlag den Mittelstreifen gar nicht anzufassen ein guter Kompromiss wäre. Bisher sind ungefähr 700.000 Euro für den Bereich zwischen Beussel- und Ottostraße eingeplant, wieviel der gepflasterte Mittelstreifen mehr kostet, ist uns noch nicht bekannt. Außerdem möchten wir, dass vor der Galerie-Nord nicht nur Bänke stehen, sondern Künstler etwas gestalten können. Die Entscheidung darüber ist aber noch nicht gefallen. Zur Zeit wird nämlich ein neues Nutzungskonzept für die Turmstraße 75 erarbeitet und wir wünschen, dass die Gestaltung des Gehweges vor dem Gebäude in diesem Konzept mit berücksichtigt wird. Ich messe den Erfolg der Bürgerbeteiligung weniger an den großen kontroversen Punkten, bei denen sich die Stadtteilvertretung nicht gegen das Bezirksamt durchsetzen kann, sondern eher an vielen kleinen Ideen, die durch Austausch in die Planung einfließen.
Anmerkung* (10. April 2014) Text auf der Webseite Aktives Zentrum
Verkehr – Planungen zu den Gehwegbereichen in der Turmstraße
Die Planungen zu den Seitenbereichen, die am 24. Februar 2014 in der Markthalle vorgestellt wurden, haben Änderungen erfahren. Diese stehen im Moment noch zur Diskussion, da der bisher begrünte Mittelstreifen gepflastert werden soll. Alle Bäume werden trotzdem erhalten. Im Downloadbereich finden Sie nun die aktuellen Planungen zu den Gehwegen im Großformat (Abschnitt 1 und Abschnitt 2 sowie der Querschnitt).
Fotos: Susanne Torka und Brigitte Nake-Mann