Die Kramkiste des Glücks

Bitte? Was soll das denn sein? Kramkiste des Glücks?
Es ist ein kleiner Laden in der Stepahnstraße 55: nur ein Raum, ein Schaufenster, die Ladentür. Die Wände voll mit Regalen für Bücher, Spiele, Schönes. Darüber hängen farbenfrohe Bilder. Die stammen von einer befreundeten Malerin, Hannah Bischoff. Als Ladentheke dient ein Schreibtisch. Hinter dem verbringt Michael Puls seit November 2014 seinen Feierabend. Wenn niemand kommt, dann liest er eben ein Buch. Gerne würde er kleine Lesungen anbieten. Einmal hat er das auch schon versucht. Heinrich Heine wollte er lesen. Aber niemand kam. Es reicht wohl doch nicht nur eine Einladung ins Fenster zu hängen.
Überhaupt: das liebevoll dekorierte Schaufenster ist schon einigen Nachbarn aufgefallen. Jede Woche, Montag oder Dienstag, gestaltet er es neu. Buchkunst, Zirkus, Abenteuerreisen, Sport, Robinson Crusoe, Wohndesign aus den 1970er Jahren waren bisher ausgestellt und mehr als 50 Themen warten noch. So gibt es immer etwas Neues zu entdecken. Das freut besonders die Kinder aus der Nachbarschaft. Mitte der Woche muss Puls regelmäßig die Scheibe putzen, so viele kleine Nasen wurden an ihr platt gedrückt.

Eigentlich wundert ihn das. Weil Kinder sich heutzutage doch nur für technisches Spielzeug interessieren würden. Aber das stimmt gar nicht. Vor kurzem hatte er Edelsteine in der Auslage, da kam ein Junge rein und fragte nach dem Preis. Am nächsten Tag brachte er sein Taschengeld mit und kaufte das Schatzkästchen.
Und woher kommt der ganze Fundus, die vielen Bücher, Spiele und die anderen schönen Kleinigkeiten? "Ich habe mein ganzes Leben lang auf Flohmärkten gestöbert. Meine Sammlungen musste ich im Keller lagern. Es wurde mehr und mehr", erklärt Puls. "Also sollte die nächste Wohnung eine Laden-Wohnung sein. Auch jetzt noch kaufe ich schöne Sachen, habe aber ein neues Motto: es darf nicht mehr reinkommen, als rausgeht." Es gibt verschiedene thematische Ecken, z. B. Belletristik, Lyrik, Berlin-Bücher und Stadtpläne, eine DDR-Ecke mit Wimpel und Einreiseformularen. An der Wand hängt ein Holzkasten mit alten Quartettspielen aus den 1960er und 1970er Jahren. Nur eine kleine Auswahl, im Lager liegen noch etwa 500 Stück. Es gibt eine Sammlung von alten Kaufmannsläden. Und auch echte Rartäten: eine Erstausgabe von Pippi Langstrumpf, eine Bibel von 1730, aber nicht besonders gut erhalten. Wer weiß, welche Schätze das Lager noch hergeben wird. Viele alte Kinderbücher rufen eigene Erinnerungen wach. Wer kennt noch den Mecki?

Das Glück im Wiederfinden ist so eine Idee von Puls: "Neulich kam ein Kunde in den Laden, schaute sich gründlich um und steckte dann seine Hand in die kleine Holzkiste mit den Holzbausteinen. Er machte die Augen zu und ließ die Klötze, Holztiere und Bäume durch seine Finger rieseln. Das fühlt sich an, wie zu Hause bei meiner Oma, sagte er mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht. Solche Momente liebe ich."
Michael Puls, 54 Jahre, arbeitet als Psychotherapeut. Er stammt aus Kreuzberg und ist viel umgezogen. Vor 25 Jahren hat er schon einmal in Moabit gelebt, in der Waldstraße. "Ich war schon überrascht, wie viel sich verändert hat. Aber trotz allem Neuen ist es noch nicht zu teuer und zu schick." Er mag das Bodenständige. Das Geschäft ist sein Freizeitvergnügen. Hier kommt er in Kontakt mit der Nachbarschaft. Hier kann er mit kleinen Dingen Menschen glücklich machen. Er bietet auch Geschenkberatung an. Vielleicht sollte ich die mal ausprobieren?
Kontakt:
Die Kramkiste des Glücks, Stephanstraße 55, 10559 Berlin
Öffnungszeiten: mo - fr 17 - 19 Uhr, sa 16 - 18 Uhr
E-mail: die-kramkiste-des-gluecks[at]web[.]de
Nachtrag:
Der Laden ist leider wieder geschlossen.