Brennpunkte werden zu Aktionsräumen plus
Die soziale Spaltung der Stadt wächst weiter. Dies ist ein Ergebnis der jetzt vorgestellten Studie Monitoring Soziale Stadt 2009, die Senatorin Ingeborg Junge-Reyer und Prof. Dr. Hartmut Häusserman (Res urbana GmbH) vorstellten.
Die Studie beruht – anders als es die Namesgebung durch die Senatsverwaltung suggeriert – auf sozialen Entwicklungdaten mit dem letzten Datenstand Dezember 2008 und vergleicht 447 Planungsräume in ganz Berlin, die sogenannten „Lebensweltlich orientierten Räume“. Für die Indikatoren der sozialen Entwicklung werden zum Monitoring seit 2007 zwei Gruppen von Daten herangezogen. Sechs Indikatoren zu Arbeitslosigkeit und Transferleistungsbezug beschreiben in dem Monitoring-Modell den Status der sozialen Lage der Bevölkerung in einem Quartier, weitere sechs Indikatoren zu Wanderungen und der demographischen Situation beschreiben den Wandel der Bevölkerung und ihrer sozialen Lage im Quartier (Dynamik).
Aus den je sechs Status-Indikatoren und Dynamik-Indikatoren werden die Rangfolgen für die betrachteten Planungsräume ermittelt, die dann wiederum in Gruppen eingeteilt werden. Letztendlich fasst das Monitoring die Räume in einem „Entwicklungindex“ mit vier Bewertungsstufen: sehr niedrig, niedrig, mittel und hoch/sehr hoch. Eine genauere Methodenbeschreibung ist in der unten verlinkten Kurzfassung der Studie nachzulesen.
Veränderungen in Moabit

Im Vergleich zum Vorjahr ergeben sich nach der Studie in 5 der 12 Moabiter Planungsräume Veränderungen. Bei der Namensgebung der Planungsräume ist zu beachten, dass diese sich von den geläufigen Gebietsabgrenzungen unterscheiden, ein Blick in die Kartendarstellungen ist hier hilfreich.
„Absteigerquartiere“ laut der Studie sind die Planungsräume Huttenkiez (sehr niedrig), Stephankiez (niedrig) und Zille-Siedlung (sehr niedrig), als „Aufsteigergebiete“ werden Beusselkiez (niedrig) und Heidestraße (mittel) dargestellt, beim Gebiet Heidestraße, zu dem auch die östliche Seite der Lehrter Straße gehört, wird sogar ein „Aufstieg“ um 2 Stufen festgestellt.
Moabit als Teil räumlicher Schwerpunktgebiete
Beim Blick auf die Gesamtberliner Lage durch das Monitoring zeigen sich in Berlin fünf große zusammenhängende Gebiete, in denen eine starke räumliche Konzentration von Planungsräumen der sehr niedrigen Kategorie festzustellen ist: dies sind die drei Innenstadtbereiche Wedding/Moabit, Kreuzberg-Nordost und Neukölln-Nord, hier leben rund 15,1 % aller BerlinerInnen, sowie die Stadtrandgebiete Nord-Marzahn/Nord-Hellersdorf und Spandau Mitte. In diesen fünf Gebieten zusammen wohnt ¼ aller BerlinerInnen. Beim Beispiel Arbeitslosigkeit stellt die Studie für Wedding/Moabit eine besonders negative Entwicklung für den betrachteten Zeitraum 2008 fest: Während in Berlin die Arbeitslosigkeit um 0,8 Prozentpunkte zurückging, nahm in Wedding/Moabit die Arbeitslosigkeit nur um 0,4 Prozentpunkte ab. Damit wuchs die Differenz der Arbeitslosenquote für Wedding/Moabit mit 13,7% gegenüber Berlin mit 9,4% an, was zum Wachsen der sozialen Spaltung führt.
Aktionsräume plus

Zum Gegensteuern will Berlin über die schon bestehenden Fördermöglichkeiten der Quartiersmanagements deshalb zusätzliche Instrumentarien und übergreifende Programme einsetzen. Dabei sollen die bereits laufenden Verfahren der Städtebauförderung wie „Quartiersmanagement“, „Stadtumbau“ und auch „Aktive Stadtzentren“ gebiets- und fachübergreifend stärker vernetzt werden. Inhaltlich soll insbesondere mit neuen Mitteln ein „besserer Zugang zu Bildung und Arbeit“ im Mittelpunkt stehen. Und um auszudrücken, dass sich in diesen Brennpunktgebieten Berlins was tuen soll, bekommen diese Gebiete auch einen neuen Namen – sie werden zu „Aktionsräumen plus“. Dafür sollen für Förderprogramme in diesen Gebieten auch mehr Geld bereitgestellt werden. Im Vergleich zu 2008 mit 30 Mio Euro soll die Fördersumme wie schon 2009 auch für 2010 und 2011 pro Jahr 50 Mio Euro betragen. Doch die Konkretisierungen der „Aktionsräume plus“ sind gegenwärtig noch in Arbeit, klare Aussagen konnte Junge-Reyer hierzu noch nicht machen. Für die Koordination der verschiedenen Beteiligten sollen wiederum Planungbüros eingesetzt werden, insbesonde schon im Quartiersmanagement tätige Büros haben dabei gute Chancen, auf ihre Bewerbungen im anstehenen Ausschreibungsverfahren den Zuschlag zu erhalten.
Auf der Website der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung findet sich bei den Basisdaten Monitoring auch ein Artikel zur aktuellen Studie, in dem auch die Kurzfassung der Studie sowie Karten und Tabellen, aufgeteilt in 65 PDF-Dateien, verlinkt sind.
Ergänzung vom 22.01.2010:
Der Verband für sozial-kulturelle Arbeit, ein bundesweit tätiger Verband von Nachbarschaftshäusern, Bürgerhäusern und Stadtteilzentren, dem auch viele der einschlägige Berliner Einrichtungen angehören, bietet auf seiner Website u.a. den Zugriff auf die Kurzanalysen der Sozialdaten zu den und "LOR-Planungsräumen" (aktuelle Daten) bzw "Verkehrszellen" (ältere Daten) in Berlin. Die Daten der aktuellen Studie sind schon eingespeist! Der Zugriff erfolgt komfortabel über die Eingabe eines Straßennamens (und ggf. PLZ, Hausnummern) oder alternativ auch kartografisch. Wer sich für einen speziellen Planungsraum interessiert, hat hier einen deutlich einfacheren Zugang als über die von der Senatsverwaltung bereit gestellten Links. Ein lobenswerter Service des Verbandes!