Begegnung mit Rücksichtslosigkeit - E-Scooter auf Gehwegen

Öffentlicher Raum für viele unterschiedliche Bedürfnisse

Bei einem Spaziergang in Moabit kamen mir zwei junge Frauen auf einem dieser E-Scooter entgegen. Sie hielten vor einer Haustür an. Offensichtlich am Ziel angekommen, zückte eine ihr Smartphone und meldete die Nutzung des Rollers ab. Mitten auf dem Gehweg blieb der Roller stehen, während sich beide anschickten im Treppenhaus zu verschwinden.

Spontan rief ich ihnen hinterher: "Wollt ihr den Roller nicht an die Seite stellen?" Sehr selbstbewusst kam als Antwort zurück: "Nee, wollen wir nicht!" Na klar, schon wieder so eine blöde alte "Tussi", die meint junge Menschen ungefragt zur Ordnung rufen zu können. Konnte ich auch nicht leiden, als ich jung war.  Damals ging es allerdings um andere Themen, wie das Gezeter über lange Haare junger Männer, unordentliche Kleidung oder Knutschen in der Öffentlichkeit.

Symbolbild

Eine kurze Bemerkung schickte ich doch noch hinterher: "Viele Leute sind schon über diese Roller gestolpert und haben sich die Knochen gebrochen." Auch wenn mich so viel Rück­sichts­losig­keit empört, hatte ich keine Lust weiter die Klingen zu kreuzen. Oder ist es viel­leicht nur Gedanken­losig­keit? Die Unfähig­keit zu erkennen, dass über­all - nicht nur im öffent­lichen Raum - Rücksicht auf andere not­wendig ist.

Braucht es dafür Gesetze, Ver­ord­nungen, Kon­trollen durch das Ord­nungs­amt oder Strafen? Eigent­lich bin ich dagegen - doch gibt es nach der Aus­ein­ander­setzung vor Gericht seit September 2022 Regel­ungen in Berlin, die leider nicht viel ver­bes­sert haben, wie Roland Stimpel von FUSS e.V. kürzlich feststellte. Regeln und klar definierte Abstell­plätze könnten helfen, aber wer weiß schon und wenn es über­haupt bekannt ist, wer hält sich daran, dass beim Abstel­len eines E-Scooters am Geh­weg mindestens 2,30 m frei bleiben müssen.

Am Hauptbahnhof versucht das Bezirksamt Mitte zur Zeit die seit Jahren chaotische Verkehrssituation neu zu ordnen mit ausgewiesenen Abstellplätzen für E-Scooter oder andere fahrbare Miet-Untersetzer und der Eindämmung des privaten PKW-Verkehrs. "Kiss + Ride" soll auf die Tiefgarage beschränkt werden, was eigentlich schon immer für Fahrgäste eine gute Alternative mit schnellen Zugängen zu den Bahnsteigen war. Es bleibt abzuwarten, ob der Unwillen Tiefgaragen zu nutzen überwunden wird. Vielleicht müsste die kostenfreie Nutzung der Tiefgarage von 15 Minuten auf eine halbe Stunde ausgeweitet werden? Bisher lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass die Pressemitteilung Ende September die Behinderung von Bussen am Europaplatz verringert hätte. Ein Wettbewerb für die Umgestaltung des Europaplatz Süd wurde im Oktober entschieden. Taxis hatten schon im Vorhinein protestiert und Anfang November erneut.

Jetzt aber wieder zurück zu den E-Scootern im öffentlichem Raum: Sind an der Misere nicht eigentlich die Verleih-Firmen schuld, die die Stadt ungefragt mit ihren Rollern und Mietfahrrädern überschwemmt haben? Sie profitieren von der kostenlosen Nutzung öffentlichen Straßenlandes.

Gegen die Profitlogik dieser Firmen ist der Umgang mit den E-Scootern und der zunehmende Vandalismus ein möglicherweise stiller Protest. Wenn Jugendliche sich ins System einhacken und nutzen ohne zu zahlen. Oder sollen wir das ganze als weiteren Auswuchs der boomenden Plattform-Ökonomie mit ihren prekären Jobs ganz ablehnen?

"Warum stellt ihr eure E-Roller mitten auf den Gehsteig", fragte ein Leser, neulich in der TAZ. Weil man kaum etwas zu befürchten hat, antwortete eine Mobilitätsforscherin. Das scheint nun doch darauf hinzuweisen, dass es für die anbietenden Firmen Gesetze, Verordnungen und Strafen geben muss. Aufrufe an persönliches Verhalten scheinen wenig hilfreich zu sein.

Dieser kurze Text entstand beim Schreibworkshop "Moabit-Momente" Ende September 2023 (mit kleiner Ergänzung).

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