Antifaschistische Filmnacht im Filmrausch statt Neonazi Konzert im Slaughterhouse
Ein für den 20. September 2012 geplantes Konzert mit den Bands "Horna", "Blacklodge" und "Tortorum" im Slaughterhouse der Kulturfabrik wurde nach langem Zaudern des Slaughterhouse e.V. wenige Stunden vor dem geplanten Auftritt von den Slaughterhouseverantwortlichen abgesagt. Die Bands "Horna" und "Tortorum" werden der nationalsozialistischen Black Metal Szene zugerechnet, die gemeinsame Europatour der drei Bands wird vom neonazistischem Label "W.T.C. Productions" (WTC= World Terror Committee) organisiert. Der Filmrauschpalast organisiert als Protest gegen das geplante Konzert kurzfristig eine antifaschistische Filmnacht am 20. September 2012.
Auf den nationalsozialistischen Hintergrund der Bands wurden die Slaughterhouse-Konzertveranstalter – Slaughterhouse e.V. ist ein eigenständiger Verein unter dem Dach der Kulturfabrik Moabit e.V. - von Antifa-Gruppen im Bündnis "Nazis auf die Pelle rücken" laut deren Blog am 9. September 2012, auf die Involvierung des hinter der Tournee stehenden Musiklabes "WTC Productions" am 10. September 2012 hingewiesen, am 12. September 2012 fand laut der Antifa eine gemeinsame Diskussionsrunde statt. Am 17. September 2012 veröffentlichen schließlich das Antifa-Blog auf die ausbleibende Stellungnahme des Slaughterhouse den Sachverhalt, die linke Tageszeitung "junge Welt" berichtete am 19. September 2012. Bevor Slaughterhouse e.V. letztlich doch noch am späten Nachmittag des 19. September das Konzert absagten – einen Tag zuvor hatten die Verantwortlichen dies noch abgelehnt – hat sich der Vorstand des Kulturfabrik Moabit e.V. ausdrücklich von dem geplanten Auftritt im Slaughterhouse e.V. distanziert. Auch der Filmrausch Moabit e.V., Betreiber des Filmrauschpalastes in der Kulturfabrik, der seine Räume wiederholt für antifaschistische Veranstaltungen zur Veranstaltungen zur Verfügung stellt, distanzierte sich von dem geplanten Konzert und organisierte kurzfristig für den 20. September eine antifaschistischer Filmnacht.
Von den Vorständen von Slaughterhouse e.V., Kulturfabrik Moabit e.V. und Filmrausch Moabit e.V. liegen nachfolgende Stellungnahmen zum Geschehen vor. Ich hatte beim Durchlesen den Eindruck, dass unter dem Dach der Kulturfabrik Moabit noch so manche Diskussionen zum Thema Nationalsozialismus und Faschismus und kultureller Instrumentalisierung notwendig sind.
Stellungnahme des Slaughterhouse e.V. zur Absage des Konzertes mit den Bands Horna, Blacklodge & Tortorum geplant für den 20.9.2012
Der Slaughterhouse e.V. versteht sich als Auftrittsort für Bands aus verschiedensten Musikrichtungen auch solche mit extremen Ausdrucksformen.
Trotzdem bzw. gerade deswegen wird strikt darauf geachtet, dass alle auftretenden Bands sich nicht über unseren selbst auferlegten Verhaltenskodex hinwegsetzen.
Das heißt es wird bei unseren Veranstaltung strikt darauf geachtet, dass alle auftretenden Bands kein rechtes, homophobes, sexistisches oder sonstiges Menschenverachtendes Gedankengut verbreiten. Ferner werden alle Gäste die entweder durch Ihr Verhalten oder durch das öffentlich zurschaustellen von solchem Gedankengut (z.B. durch T-Shirts, Badges u.ä.) von der Veranstaltung ausgeschlossen bzw. erst gar nicht reingelassen.
Dieses galt selbstverständlich auch für das Konzert am 20.9.2012 mit den Bands: Horna (Finnland), Blacklodge (Frankreich) & Tortorum (Norwegen).
Alle Bands dieser Veranstaltung haben uns versichert diesen Kodex einzuhalten und sehen sich selbst als unpolitisch. Das ist die eine Seite der Problematik.
Auf der anderen Seite stehen die Aussagen der Leute die das Konzert abgesagt sehen wollten.
In einigen Interviews hat sich der Gitarrist der Band Horna unklar & missverständlich ausgedrückt was seine Einstellung zum Nationalsozialismus angeht. Ferner ist es schwer bzw. unmöglich unabhängige Informationen zu erlangen, somit standen die Aussagen der Konzertgegner gegen das Wort der Band.
Uns gegenüber hat besagter Gitarrist versichert, dass das Musikprojekt Horna nicht dazu dient irgendwelche Ideologien zu verbreiten. Es geht Ihm und allen Beteiligten nur um die Musikform „Black-Metal“.
Soll ein unabhängiger Verein also in vorauseilender Gehorsamkeit die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst, ein im Grundgesetz verankertes Recht, umgehen und somit die Kunstform „Black-Metal“ zensieren?
Damit würden wir unsere freiheitlich-demokratischen Grundsätze ablegen und uns unglaubwürdig machen.
Insofern gilt für uns die Unschuldsvermutung was die Musik der Band Horna angeht, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist. Dies gilt aber nur für die Musik als Kunstform.
Die Verbindung der geplanten Tournee zu dem Label W.T.C. Productions ist allerdings problematisch und auch die Band sieht sich nicht in der Lage klar Position zu beziehen.
Daher sehen wir uns dazu gezwungen das Konzert so kurzfristig abzusagen.
Dies geschieht nicht aufgrund des auf uns ausgeübten medialen Drucks sondern aufgrund des Selbstverständnisses des Vereins.
Vorstand des Slaughterhouse e.V , 19.09.2012
Stellungnahme des Vorstands des Kulturfabrik Moabit e.V., 20.09.2012
Die Kulturfabrik Moabit als soziokulturelles Zentrum ist ein Ort der Toleranz und des friedlichen Miteinanders. Alle autonom arbeitenden Vereine des Hauses, Fabriktheater e.V.i.Gr., Filmrausch e.V., 35 Services e.V., Slaughterhouse e.V. und der Kulturfabrik Lehrter Str. 35 e.V. pflegen eine Atmosphäre des fruchtbaren und kreativen Austausches und des wertschätzenden Umgangs miteinander und mit allen Besuchern.
Der Dachverein Kulturfabrik Lehrter Str. 35 e.V. legt sehr viel Wert darauf, nicht in Zusammenhang mit rechtsradikalem und/oder faschistoid Gedankengut in Verbindung gebracht zu werden. Für uns bestehen bei dieser Band diesbezüglich erhebliche Zweifel – und deshalb distanzieren wir, die Vorstandsmitglieder stellvertretend für den Verein, uns von dem Auftritt der finnischen Band Horna im Slaughterhouse e.V. .
Nationalsozialismus und Faschismus sind verbrecherische und menschenverachtende Ideologien. Bekanntlich besteht die Strategie der Rechten darin, sich mit ein bisschen Faschismus-Light in die Mitte der Gesellschaft vorzuarbeiten, um dann nachzulegen. Gerne wird dazu die Freiheit der Kunst und Meinungsfreiheit instrumentalisiert, die sie ja letztendlich selbst abschaffen wollen.
Wir als Kulturfabrikanten haben hier eine besondere Verantwortung: Wir müssen diese Mechanismen erkennen und aufklären und deshalb müssen wir anderen Vereine uns scharf und deutlich distanzieren.
Die Veranstaltung am 20.09.2012 und der Auftritt der Band Horna im Slaughterhouse e.V. findet nicht mit unserem Einverständnis statt.
Vorstand des Filmrausch Moabit e.V., 20.12.2012
Liebe Freunde und Kollegen!
Seit Tagen schlägt das Thema hohe Wellen und lässt auch uns keine Ruhe. Wir sind bestürzt und wütend, dass eine Musikgruppe mit eindeutig rechtem Hintergrund in unserem Haus auftreten soll.
Dabei ist es Filmrausch egal, ob die Bandmitglieder von 'Horna' explizit nationalsozialistische Ideologien vertreten, oder ob sie derartige Gedankengut nur tolerieren oder ob sie allein aus Lust an der Provokation mit faschistischer Symbolik kokettieren. Filmrausch ist der Meinung, dass eine solche Formation in der Kulturfabrik Moabit nichts verloren hat und möchte sich von der angekündigten Veranstaltung vehement distanzieren.
Die Kulturfabrik versteht sich selbst als eine Alternative zur Mainstreamkultur. Interkulturalität, Verständigung zwischen Volksgruppen und Toleranz sind Maximen unserer Arbeit. Filmrausch hat in der Vergangenheit insbesondere mit der Moabiter Antifa Podiumsveranstaltungen, Filmdiskussionen und Zeitzeugengspräche durchgeführt, um das Gedenken an die Verbrechen der deutschen Vergangenheit aufrechtzuerhalten und für junge Menschen erlebbar zu machen. Diese Zusammenarbeit sehen wir durch ein solches Konzert konterkariert und gefährdet.
Auch nun, da die starken Proteste zu einer Absage des Konzerts geführt haben, möchten sich Filmrausch davon distanzieren und seine Ablehnung zum Ausdruck zu bringen. Um uns klar zu positionieren und uns ausdrücklich von dieser Veranstaltung abzugrenzen hat Filmrausch beschlossen, sein reguläres Programm für den betreffenden Abend, 20.9.2012, zu streichen und stattdessen zu einem Sonderprogramm, einer antifaschistischen Filmnacht in sein Kino zu laden:
18:00 Uhr : ZUM BEISPIEL MONTARETTO
Doku, D, 2010 von Farhad Payar und Yasmin Khalifa
Dokumentarfilm über eine kleines norditalienisches Dorf, dessen Bewohner allesamt Kommunisten sind.
Reguläres Programm, Eintritt: 5 Euro
20:00 Uhr: KRIEGERIN
Fiction, D, 2011 von David Wnendt
Preisgekröntes Drama über junge Frauen in Neonazigruppen. Der Erstlingsfilm erhielt durch die Aufdeckungen der von der NSU verübten Verbrechen eine bedrückende Brisanz und Aktualität.
Sonderfilm, 5 Euro freiwilliger Soli!
22:00 Uhr: DØD SNØ (DEAD SNOW)
Fiction, NO, 2009 von Tommy Wirkola
Nazi-Zombie-Horror-auf-die Fresse-Spaß
Sonderfilm, 5 Euro freiwilliger Soli!
Link zum Artikel in der Jungen Welt vom 19.9.12 und im Blog "Nazis auf die Pelle rücken" vom 17.8.12 mit vielen Informationen zu den Bands und zur Absage des Konzerts am 19.9.12.