Amtsgericht ausgezogen. Was kommt danach?

Schon Mitte März 2012 ist das Amtsgericht Tiergarten aus der Lehrter Straße 60 ausgezogen. Seitdem ist das Amtsgericht Mitte in der Littenstraße 12-17, 10179 Berlin für Zivilsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit aus dem Bezirk des Amtsgerichts Tiergarten zuständig.

In der Umzugswoche wurden im Grünstreifen vor dem Gebäude neue Poller installiert. Nach einigen Wochen Recherche stellte sich heraus, dass sie dem Schutz des Günstreifens vor dem Befahren durch Autos dienen sollen. Dem Vernehmen nach sind immer wieder Lieferfahrzeuge für das Gefängnis über den Grünstreifen gefahren, so dass das Straßen- und Grünflächenamt sich zum Bau dieser massiven Poller gezwungen sah.

Wie die Berliner Morgenpost bereits im Juli 2009 meldete, soll auch das Gefängnisgebäude in der Lehrter Straße 61 von der Justizverwaltung aufgegeben werden. Etwa in einem Jahr heißt es, nach Fertigstellung der JVA Heidering in Großbeeren. Eine spannende Frage, was mit den Gebäuden dann geschieht, d.h. welche Investoren für welche Nutzung sich finden. Der Liegenschaftsfonds Berlin wird sie vermutlich vermarkten. Aber noch ist die BIM (Berliner Immobilienmanagement GmbH) zuständig. Bereits im März hatte der Betroffenenrat Lehrter Straße nachgefragt, welche Nutzung vorgesehen sei, hatte aber keine Antwort erhalten. Jetzt wurde mitgeteilt, dass die Gebäude, wenn das Gefängnis in 2013 leer ist, an den Liegenschaftsfonds zum Verkauf übergeben werden sollen.

Erstaunlicherweise sind die Gebäude nicht in der Denkmaldatenbank der Senatsverwaltung enthalten. Auch wenn der Wikipedia-Artikel über die Lehrter Straße behauptet, dass sie unter Denkmalschutz stehen, ist das nicht der Fall. Lesenswert übrigens die Beschreibung von Gerhild Komander im Berliner Lindenblatt.

In die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte am 22. März 2012 hatte Bündnis 90/Grüne einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, der das Bezirksamt auffordert die Unterschutzstellung der Gebäude prüfen zu lassen. Die Dringlichkeit bekam das Thema allerdings nicht, und so wurde der Antrag in die Ausschüsse für Stadtentwicklung und Bildung und Kultur verwiesen, wo sie seitdem am Ende der Tagesordnung nicht behandelt wurden. Im Ausschuss für Bildung und Kultur der Monate April, Mai und Juni wurde die Entscheidung vertagt, ebenso im Ausschuss für Stadtentwicklung Anfang Mai. Zuletzt war der Antrag beim Ausschuss für Stadtentwicklung am 30.5.2012 aufgerufen worden, doch da der Ausschuss für Bildung und Kultur den Antrag zuerst beraten muss, wurde er wiederum vertagt. So richtig wichtig scheint das Thema den Bezirksverordneten also nicht zu sein - eigentlich erstaunlich angesichts der Geschichte dieser Gebäude, wie auch des gesamten ehemaligen Militärgeländes zwischen Rathenower und Lehrter Straße.

Ein Artikel zur Geschichte der ehemaligen "Nördlichen Militärarrestanstalt der Berliner Garnision" sollte hier folgen.

Alle Denkmale in der Lehrter Straße.

Nachtrag

:
Es hat geklappt! Das Landesdenkmalamt hat die Gebäude am 17.5.2013 in die Denkmalliste eingetragen.

Das Gerichtsgebäude ist ein beliebter Ort für Filmaufnahmen geworden.

Herr Ruhnke (GSE) berichtet beim Betroffenenrat Lehrter Straße im Juli 2016 über Pläne zur Nachnutzung von Gefängnis- und Gerichtsgebäude.

Sanierungsstau öffentlicher Gebäude, die BIM sei überfordert, auch das Gerichtsgebäude wird im Tagesspiegel erwähnt.

Berliner Woche zu Filmaufnahmen und ein wenig Geschichte von Gefängnis- und Gerichtsgebäude und Nachnutzungspläne. rbb zum Drehort für Berlin Babylon.

Die Pläne für die südlichen beiden Gebäudeteile (Verwaltungstrakt, früher Beamtenwohnungen und Zellentrakt) sind immer noch aktuell und es gibt bereits erste Planungen: Ateliers für bildende Künstler*innen und Probenräume für Musiker*innen. Jedoch müssen die Pläne für das Gerichtsgebäude geändert werden, denn die Senatsjugendverwaltung hat kein Interesse mehr, wie im Juni 2019 bekannt wurde. Jetzt kommt hier auch Kultur zum Zuge. Aber was genau, ist noch unklar (Bericht vom Gespräch mit BIM und Kulturverwaltung, Anhang zum BRL-Protokoll November 2019).

Der Umbau hat sich verzögert. Auch das Gerichtsgebäude ist jetzt in im Portfolio Kulturimmobilien der Senatsverwaltung und soll zu einem Kunst- und Kulturhaus umgebaut werden. Mit dem Beginn der Baumaßnahmen ist nicht vor 2024 zu rechnen. Es könnte sein, dass die Räume im ersten OG mögicherweise zur Zwischennutzung dem Haus der Weisheit zur Verfügung gestellt werden, das aus der Rathenower Straße wegen Abriss und Neubau ausziehen muss. Einzelheiten hier im Schlussbericht Vorlage zur Kenntnisnahme für die BVV (Drs. 3173/V).

Am 25. November 2022 organisierte der Betroffenenrat Lehrter Straße eine Besichtigung der Gebäude. Ein Bericht darüber ist im Protokoll von Dezember 2022 erschienen mit den Antworten der BIM auf im Vorfeld gestellt Fragen im Anhang.

B.Z. vom 24.4.2023 über dem Umbau des Gefängnis- und Verwaltungsgebäudes zu Musikprobenräumen und Ateliers. Arbeiten im Inneren haben schon begonnen, die BIM informierte im Februar über im Mai startende Bauarbeiten: „Die Baumaßnahmen in der Lehrter Straße 61 (ehemals Zellen- und Verwaltungsgebäude) fangen voraussichtlich im Mai 2023 an. Hier ist es eine durchlaufende Baustelle deren Fertigstellung voraussichtlich Ende 2024 ist. Das frühere Gerichtsgebäude in der Lehrter Straße 60 gehört nicht in den o.g. Bauumfang. Das Gerichtsgebäude wird dieses Jahr geplant und voraussichtlich 2025 umgebaut.“ (Nachricht auf der B-Laden-Webseite)

RBB-Artikel mit Zeitstrahl (und einige Tage noch dem Abendschaubericht) über Geschichte und Sanierung des Gefängnisses Lehrter Straße. Interessant auch ein alter Film von 1976 über die Situation der Frauen im Knast.

Anfrage im Abgeordnetenhaus von Berlin zu den Baumaßnahmen wurde Mitte Oktober beantwortet.

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