Am Stephankiez rauchten die Köpfe
Das Volk von Moabit war schon in den 90er Jahren umtriebig… und auf der Suche nach Rezepten für ein nachhaltiges Leben, wie man neu-deutsch so treffend sagte. Die alt Eingesessenen werden noch den “Blickwinkel“ kennen – jene Zeitung über das bunte Leben im Kiez, die, mit Herz gemacht, in Berlins Mitte ihresgleichen suchte. Der Moabiter Ratschlag, Herausgeber selbiger und bereits damals schwer aktiv, war zudem über die Bezirksgrenzen hinaus ein Begriff.
Vom Umweltverein Grüne Liga Berlin entsandt, besuchte ich in jenen Jahren, als die Vision einer Lokalen Agenda 21 in vieler Munde war, auch den Stephankiez. Dieser zählte eindeutig zu jenen Orten, wo man gern über ein bewusstes Leben, also über den Tag hinaus, nachsann. Ich erinnere mich an den Treffpunkt, nämlich den Eckladen Stephanstraße / Havelberger (später Stephan-Apotheke, jetzt vom Pflege-Dienst Julia genutzt).
Darin saßen im Dämmerlicht Moabiter Unentwegte, tief schürfend über neue Konzepte eines sinnvollen, weil Ressourcen schonenden Daseins brütend. Da prallten Meinungen aufeinander, kamen Ideen auf den Tisch, um doch wieder verworfen zu werden. Ging es um einen Tauschring, der Fähigkeiten von Menschen dem anderen zu Gute kommen lässt, ohne dass Geld fließt? Oder ging es um Gemeinschaft überhaupt auf dieser bemerkenswerten Insel? Ich weiß es nicht mehr.
Auf jeden Fall übte Moabit Anziehungskraft aus auf bürgerschaftlich Bewegte in unserer Stadt, war - dank kluger Initiativen - Vorbild für andere. Hier saßen Macher – und die wollte man treffen. Ganz bestimmt befanden sich unter den Anwesenden Jürgen Schwenzel oder Elke Fenster, Doris Härms oder Hans Hirschelmann. Vielleicht aber auch schon Sabine Born, Ursula Peters oder Susanne Torka?
Viele von denen, wenn nicht gar alle, treibt es ja bis zum heutigen Tage um. So begegnet man hier Unerschrockenen oder Unermüdlichen, teils schrägen Vögeln, teils zähen Kopfarbeitern. Aber (fast) immer Typen mit Durchhalte-Vermögen, zupackend, kreativ und mit Biss. Dass der Umgang mit ihnen nicht gerade einfach ist, versteht sich. Allein, da kann man ja etwas dagegen setzen. Mich jedenfalls hat es weder damals noch heute zufällig in diese Ecke verschlagen.
Autorin: Gudrun Radev