68 Prozent der Ferienwohnungen in Mitte sind illegal

Bezirksamt Mitte ließ Anzahl von Ferienwohnungen in Berlin ermitteln.

Bezirksstadtrat Stephan von Dassel präsentierte heute erste Ergebnisse einer von ihm beauftragten Studie zur Ermittlung der Anzahl von Ferienwohnungen in Berlin. Demnach sind rund 68% der Ferienwohnungen im Bezirk Mitte illegal, berlinweit sogar ca. 75%.

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Rechtsgutachter Prof. Niko Härting (links) und Bezirksstadtrat Stephan von Dassel (rechts)

Der Beauftragung dieser Studie voraus­gegangen waren die Aussagen eines ebenfalls vom Stadtrat beauftragten Rechtsgutachtens zu verschiedenen rechtlichen Fragestellungen. Denn der bezirkliche wie auch der Berliner Datenschutzbeauftragte hielten das von Stadtrat von Dassel beabsichtigte Vorgehen für  nicht für zulässig, weil es keine Ermächtigung im Gesetz zur Internetrecherche gäbe (Artikel im Tagesspiegel) und ein konkreter Anfangsverdacht notwendig sei. Zudem sei keine externe Vergabe möglich, weil es sich um personengebundene Daten handele. Später änderte der Berliner Datenschutzbeauftragte seine Position zur Rechtmäßigkeit der Internetrecherche, Klärungsversuche über die rechtlichen Möglichkeiten zwischen Bezirk und dem Berliner Datenschutzbeauftragten blieben erfolglos (Artikel Berliner Morgenpost), und da mehrere Juristen die rechtliche Gültigkeit der Position des Datenschutzbeauftragten bezweifelten, beauftragte schließlich von Dassel Prof. Niko Härting mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens. Dieser stellte die Ergebnisse seines Gutachtens der Presse vor. Demnach ist die automatisierte Erfassung und Adressenzuordnung aller im Internet angebotenen Ferienwohnungen durch einen Dienstleister rechtlich zulässig, da es sich um Sachdaten, nicht um personenbezogene Daten handelt. Erst die Übergabe der Daten an das Bezirksamt stellt einen Personenbezug her, da das Bezirksamt Feststellungen zur Identität der Wohnungsinhaber treffen kann. Die Übergabe der Daten ist aber nach dem ASOG rechtmäßig, da die Zweckentfremdung die öffentliche Sicherheit stört. Bei einer deutlichen Überschreitung der Zahl der über die Recherche erfassten Zahl an Ferienwohnungen gegenüber der dem Amt in Zweckentfremdungsanträgen gemeldeten Zahl ist dies gegeben. Auch in der Sichtbarmachung von Geodaten aus dem Quelltext einzelner Angebotsseiten und dem portalübergreifendem Abgleich zur Feststellung von Adressen bestehen keine datenschutzrechtlichen Bedenken. Auch die Aufnahme von Namen und Telefonnummern in die vom Dienstleister dem Bezirksamt zu übergebende Recherchedatei ist nach Bundesdatenschutzgesetz unbedenklich, stellt Prof. Härting fest.

Auf Grundlage der Ergebnisse des Rechtsgutachtens beauftragte von Dassel die Firma Neofonie GmbH als Dienstleister für die Onlineauswertung der Ferienwohnungsangebote in Berlin. Dieser wertete 15 Online-Portale für Ferienwohnungen und damit schätzungsweise 95 Prozent aller Online-Angebote aus, und fertigte daraus eine Auflistung aller frei verfügbaren Daten inklusive der URL-Adressen und rechnete die darin enthaltenen Geodaten in konkrete Adressen um. Die Sammlung der Daten erfolgte in den vergangenen Wochen.

Bisher liegen als Ergebnisstand die Zahlen für das gesamte Berliner Stadtgebiet und den Bezirk Mitte vor, denen die Anzahl der den Bezirksämtern zur Anmeldung der Zweckentfremdung gemeldeten und vom Amt mit Bestandsschutz (bis 2016) bestätigten Ferienwohnungen als Vergleich entgegensteht:

Ergebnis:

Gebiet Ferienwohnungen
lt. Online-Recherche
Ferienwohnungen mit
bestätigtem Bestandsschutz
Stadtgebiet Berlin 23.103 5.682
davon keinem Bezirk
zuzuorten
1.736  
Bezirk Mitte 4.866 1.557

Die Anzahl der in dieser Studie online recherchierten Ferienwohnungen liegt damit bei weitem über der Zahl der den Bezirksämtern gemeldeten und bestätigten Ferienwohnungen. Bezogen auf die jetzt ermittelten Zahlen an Ferienwohnungen ergibt sich der Anteil von 75% berlinweit bzw. 68% im Bezirk Mitte an illegalen Ferienwohnungen.

Folgende Einschränkungen hat dabei die Studie bzw. deren Ergebnisse laut deren Verfasser:

  • Es sind schätzungsweise nur 95 Prozent der Online-Angebote erfasst
  • Es ist nicht ausgeschlossen, dass Online-Angebote aufgrund der Diskussion und Medienberichterstattung deaktiviert wurden
  • Die Ferienwohnungen könnten zur einmaligen Vermietung online gestellt worden sein
  • Die Liste der Online-Angebote enthält auch alle dauerhaft zulässigen Ferienwohnungen, die nicht in Wohngebäuden, sondern in Gewerbegebäuden untergebracht sind

Gegenüber früheren Internetrecherchen zu Ferienwohnungen in Berlin hat sich herausgestellt, dass die genauen Geodaten gegenüber früher immer mehr verschleiert werden, eine genaue Adresszuordnung also stark erschwert wurde. Eine so genannte „heatmap“ stellt die mit einer Unschärfe behafteten Daten grafisch dar, darin ist zu erkennen, dass Ferienwohnungen über das ganze Stadtgebiet existieren, wobei drei örtliche „Hitzepunkte“, also Gebiete mit einer Häufung von Ferienwohnungen in Mitte, Friedrichshain/Kreuzberg und Tempelhof festzustellen sind.

Bis Anfang September sollen auch die Ergebnisse aus der Erhebung für die anderen 11 Berliner Bezirke vorliegen, die Stadtrat von Dassel dann auch den Bezirken, die über die Beauftragung der Studie unterrichtet wurden, zur Verfügung stellen wird.

Der Senat sollte nach Ansicht des Bezirksstadtrats ein Interesse an einer schnellen Verwertung der Daten in den Bezirken haben und den besonders betroffenen Bezirken - ggf. befristet - die Einstellung zusätzlichen Personals gestatten.

Die Neofonie GmbH wird versuchen, aus den vorhandenen Daten die Mehrfachanbieter zu filtern, um den Bezirken eine Priorisierung der weiteren Verfahren zu ermöglichen.

Eine Wiederholung der Abfrage ist jederzeit möglich.

Zu den Konsequenzen für nicht gemeldete bzw. bestätigte Betreiber von Ferienwohnungen, gegen die Ordnungsgelder bis zu 50.000 Euro verhängt werden können, sagt von Dassel:

  • Die Online-Angebote jetzt zu deaktivieren ist sinnlos, die für die Ordnungswidrigkeitsverfahren notwendigen Ausgangsinformationen sind vorhanden
  • Alle Ferienwohnungsanbieter werden aufgefordert, die illegale Vermietung sofort einzustellen und die Wohnungen wieder dem regulären Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen
  • Die Höhe des Bußgeldes ist ermessensabhängig - eine „verspätete" Meldung ans Bezirksamt ist besser als gar keine, eine nachgewiesene reguläre Vermietung ist das Ziel der Bezirke und hat Einfluss auf das Bußgeld
  • Die Bezirke haben ein hohes Interesse an möblierten Wohnungen und die Möblierung kann die vom Land Berlin übernehmbare Miete erhöhen

Nachträge:
Die Regelungen im Gesetz werden verschärft (Tagesspiegel).

Der Tagesspiegel und Focus haben berichtet: keine Verlängerung und für 95% auch keine Genehmigungen.

Online-Formular der Senatsverwaltung zur Meldung möglicher Verstöße gegen das Zweckentfremdungsverbot
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hat ab sofort ein berlinweit einheitliches Online-Formular zur Meldung von möglichen Gesetzesverstößen gegen das Zweckentfremdungsverbot eingerichtet (Pressemitteilung vom 20.4.2016). Bürgerinnen und Bürger können so auf einfachem Weg Online die Bezirksämter auf mögliche Verstöße gegen das Zweckentfremdungsverbot mittels dieses Hinweisformulars aufmerksam machen.

Interview mit Herrn Vida, vom Portal Wimdu, vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (rbb-online), Stephan la Barré will weiter an Touristen vermieten (Berliner Morgenpost). Die TAZ berichtet über verfassungsrechtiche Bedenken.

Die Pressemitteilung des Gerichts zum Urteil. Es berichtete u.a. MieterEcho online, die FAZ und der Tagesspiegel (und Hintergrundfragen).

Ein weiteres Urteil in erster Instanz zu Zweitwohnungen (Süddeutsche und Tagesspiegel, mit Kommentar). Hier soll die zeitweilige Vermietung erlaubt bleiben, weil die Wohnungen ja zeitweilig selbstgenutzt und deshalb dem Wohnungsmarkt keine Wohnungen entzogen würden. Aber wie lässt sich kontrollieren, ob der Zweitwohnsitz nicht nur pro forma angemeldet wurde? Der Nachweis einer Zweckentfremdung wird dadurch auf jeden Fall noch schwieriger. So fragt der Tagesspiegel schon, ob das Verbot kippt.

Die Höhe der Bußgelder liegt bisher bei 300 bis 40.000 Euro (Tagesspiegel und Anfrage im Abgeordnetenhaus).

Berliner Homesharing Club als Lobbyorganisation für Airbnb (TAZ).

Wie sich herausgestellt hat, nutzen auch Bezirksämter Wohnungen zur Unterbringung von Obdachlosen, nicht mit normalen Mietverträgen, sondern zu Tagessätzen, diese Zweckentfremdung von Wohnraum soll beendet werden (Antrag 0861/V für die BVV am 23.11.17)

Veranstaltung zum Zweckentfremdungsverbotsgesetz (Ferienwohnungen und Leerstand) von "Wem gehört Moabit?" im November 2017.

WDR Film über Airbnb: "Kritisch Reisen: Airbnb - Im Bett mit dem Supervermieter" vom 18.7.2018

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"Mut und Widerstand" - Projektjahr zum 80. Todestag von Dietrich Bonhoeffer

Das vergangene Jahr 2024 wurde anlässlich des 100. Geburtstags von Selma Meerbaum-Eisinger mit vielen ganz unterschiedlichen Veranstaltungen zum Meerbaum-Jahr.  2025 schaut die evangelische Kirchengemeinde Tiergarten mit der Veranstaltungsreihe "Mut und Widerstand", was es heute heißen kann, gegenüber Rechtsextremismus und Antisemitismus Zivilcourage zu zeigen. Vorbild ist der Theologe Dietrich

By Susanne Torka