2010 wieder Kultur im "Offenen Garten" genießen

Der Garten rings um den ehemaligen Geschütz-Schuppen der 6. Batterie des 1. Garde-Feldartillerie-regiments in der Kruppstraße 16 ist ein buntblühendes Kleinod in Moabit. Die niedrigen Gebäude gehören zum Denkmalensemle der Militärbauten um den früheren Exerzierplatz, auf dem heute Poststadion und Fritz-Schloß-Park liegen. Sie sind früher vermutlich auch als Waffenschmiede und Panzerwerkstatt genutzt worden. Wer hier im Offenen Garten in den letzten Jahren die durchaus raren Kulturveranstaltungen besuchte, wartet ungeduldig auf milde Sommertemperaturen und fragt sich gespannt, welche Künstler an wievielen Wochenenden Brigitte Stockmann-Kammermeier und Anderl Kammermeier wohl einladen werden.

Nach nur zwei Terminen im vergangenen Jahr sind 2010 bis Septemter sechs Veranstaltungen geplant, die im Detail auf ihrer Webseite beschrieben werden. Die Reihe startet jugendlich am kommenden Sonntag, 9. Mai mit den "Hinking drinking Ladies", geöffnet ist der Garten jeweils ab 14 Uhr.
Seit 1988 arbeiten der Metallkünstler Anderl Kammermeier und die Theaterpädagogin Brigitte Stockmann-Kammermeier an und im historischen Gebäude und im Garten. Die zunächst gepachteten Gebäude waren vollkommen herunter gekommen ebenso wie das Gelände rundherum. Eine Schotterwüste vorne und hinten ein Lager gestapelter Gehwegplatten überwuchert von Brennnesseln und Dickicht. Innendrin: Eisenträger, Hebekran und was sonst noch alles von der Maschinenfabrik übrig geblieben war, die das Gebäude nach dem 2. Weltkrieg genutzt hatte. Der Keller war völlig zugeschüttet. Bei der Umgestaltung des Geländes wurden unter anderem alte Eisenkugeln, Austernschalen und unzählige Scherben von alten Flaschen gefunden. Eigentlich sollte der Geschützschuppen abgerissen werden. Einen Kostenvoranschlag für den Abriss hatte die Oberfinanzdirektion (seit 2005 BIMA) bereits erhalten, doch war es ihr letztendlich zu teuer, also vermietete sie 1988 doch lieber zu günstigen Bedingungen. Die sollten sich jedoch bald ändern.

Anderl Kammermeier, gelernter Goldschmied und als angewandter Künstler übergreifend bei Schmuck, Metallmöbelbau, Bühnenbild, Film- und Raumausstattung tätig, zog gemeinsam mit einem Holzdesigner und einer Malerin ein, wobei eines der Ateliers häufig wechselnd belegt war. 1991 kam der erste Umbruch, die Miete sollte verfünffacht werden. Der Werkhof wurde gegründet, eine intensive Zeit existentieller Sorgen um den Weiterbestand der Arbeitsräume, aber auch eine Zeit großer Hoffnungen. Heute sagt Kammermeier: "Dass es uns hier noch gibt, verdanken wir der gemeinsamen Arbeit im Werkhof." Wenn auch heute nur noch wenige der Künstler und Gewerbetreibenden aus der Anfangszeit dabei sind, damals konnten die Mietforderungen reduziert werden.
Durch die Arbeit Kammermeiers am Bühnenbild für Frank Lüdecke ergab sich eine fruchtbare Zusammenarbeit. Ein Raum wurde frei und kurzerhand in Eigenarbeit als Veranstaltungs- und Theaterraum ausgebaut. Zur ersten Veranstaltung war noch nicht alles fertig. So wurden die fitteren Zuschauer in die Werkstatt geschickt, mussten selbst Hand anlegen und jeweils drei Gartenstühle mit Hilfe von langen Brettern in Zuschauerbänke verwandeln. Die Technik funktionierte schlecht, trotzdem waren alle begeistert. 1998 mietete die UDK einen Raum für das Stück " Stadtwanderinnen" über Frauen, die auf der Straße leben, mit selbst geschriebenen Texten und selbst gebauter Ausstattung. Die Studierenden waren begeistert von der praktischen Arbeit. 1999 organisierten die Kammermeiers eine eigene Veranstaltungsreihe, den Moabiter Kulturfrühling, um die Kruppstraße 16 als Kulturstandort zu etablieren.

Aber der Bund wollte das Gelände verkaufen und so standen sie 1999 vor der existenziellen Frage, alles aufzugeben und umzuziehen oder zu kaufen. Am liebsten hätten sie gemeinsam mit anderen einen Veranstaltungsort mit Werkstatt aus den Räumen gemacht, betrieben von einem Verein. Doch fanden sich bei der Höhe des Kaufpreises nicht genügend Mitstreiter. So war der Erwerb des Grundstücks als Privateigentum eine Notlösung, die sie eigentlich nie angestrebt hatten. Alles musste sehr schnell gehen und das Ganze war ein Lehrstück in Politik, Bankwesen und Bürokratentum. Die OFD wollte nicht eine Woche länger als vorgesehen auf das Geld warten. Ohne Unterstützung durch eine Bundestagsabgeordnete, die Eichel, damals Finanzminister, persönlich anrufen konnte, hätte es nicht geklappt. Das Grundstück ist heute geteilt, eine Bildhauerin und ein befreundeter Architekt mit Familie nutzen den einen Flügel mit Gartenteil. Die Kammermeiers trauern zwar den Zeiten gemeinsamer Werkstätten nach, begannen aber im Jahr 2004 den inzwischen gewachsenen und gestalteten Garten für Freunde und Bekannte einmal monatlich im Sommer zu öffnen. Daraus ist (im Jahr 2008 durch Umbauarbeiten unterbrochen) die Veranstaltungsreihe "Offener Garten" geworden. Sechs mal gibt es in diesem Jahr die Möglichkeit ab 14 Uhr den Garten zu besuchen und im Laufe des Nachmittags ein ausgewähltes kurzes Kulturprogramm zu genießen.
Lassen Sie sich einladen mit dieser Fotogalerie (die letzten beiden Fotos zeigen einen Theaterworkshop mit Jugendlichen auf dem Gelände):
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Der offene Garten auf der Webseite.
Nachtrag 2011:
Die Termine des Offenen Gartens für dieses Jahr sind am So. 8. Mai, So. 29. Mai, Sa./So. 18./19. Juni, Sa./So. 20./21. August und So. 11. September. Der Garten ist jeweils ab 14 Uhr geöffnet. Die verschiedenen Programme können im Veranstaltungskalender von MoabitOnline nachgelesen werden und vielleicht den Bericht auf der Seite des QM Moabit-Ost lesen.
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Der Garten ist 2012 geöffnet am So. 29. April, 20. Mai, 10. Juni, Fr. - So. 10./11./12. August und So. 2. September. Die Öffnungszeiten So. immer ab 14 Uhr, Fr./Sa. ab 18 Uhr. Hier ist das Programm.
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Der Garten ist 2013 geöffnet am So. 28. April, 25. Mai, Fr.-So. 14./15./16. Juni, So. 11. August und 1. September. Die Öffnungszeiten So. immer ab 14 Uhr, Fr./Sa. ab 19 Uhr. Hier ist das Programm.
Nachtrag 2014:
Der Garten ist 2014 an 4 Terminen geöffnet, immer So. ab 14 Uhr: 11. Mai, 8. Juni, 29. Juni und 31. August. Hier das Programm.
Nachtrag 2015:
Der Garten ist 2015 an 5 Terminen geöffnet, immer So. ab 14 Uhr: 10. und 31. Mai, 14. Juni, 5. Juli und 30. August. Hier das Programm.
Nachtrag 2016:
Der Garten ist 2016 an 3 Sonntagen geöffnet, ab 14 Uhr: 22. Mai, 19. Juni und 4. September. Programm jeweils ab 15:30 Uhr. Hier das Programm.
Ein Bericht mit wunderschönen Fotos von Vilmoskörte.
Nachtrag 2017:
Wieder 3 Termine, geöffnet ab 14 Uhr: 21. Mai, 18. Juni und 3. September. Programm jeweils ab 15:30 Uhr. Hier ist der aktuelle Flyer.
Von 2004 bis 2017 fanden die schönen Veranstaltungen im offenen Garten statt. Wir vermissen sie sehr.